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Renaissance: S. Anna dei Lombardi

Sant'Anna dei Lombardi und die Grabkapellen der Renaissance

Die unscheinbar wirkende Kirche nahe der Altstadt Neapels birgt in sich viele Schätze der Kunstgeschichte. Während der Bau selbst von Epochen der Gotik, der Renaissance und des Barock zeugt, präsentieren sich im Inneren mehrere Renaissance-Grabkapellen adliger Stifter, die dem Hause Aragon zugetan waren. Auch Maria von Aragon, die Schwester von König Alfons II. fand hier ihre letzte Ruhe. Bekannte Namen wie Giorgio Vasari, Guido Mazzoni, Pinturicchio und Antonio Rosselino haben ihre Zeichen hinterlassen und Sant’Anna dei Lombardi zu einer wahren Schatzkiste voll beeindruckender Kunst gemacht.

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(Bau-) Geschichte

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Außenansicht und Fassadengestaltung

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Grundriss und Innenansicht

Santa Maria di Monteoliveto ist in ihrem Grundriss recht einfach gehalten. Sowohl das einschiffige Langhaus, gesäumt mit Kapellen sowie der rechteckige Chor gen Süden zeugen von einer baulichen Schlichtheit, die sich wohl vor allem mit ihrem Ursprungsgedanken der klösterlichen Zurückhaltung unterlegen lässt. Es gibt nur sehr wenige Zeugnisse über die ursprüngliche Errichtung der Kirche und deren Fortlauf. Das Erdbeben 1456 war das ausschlaggebende Ereignis, welches der zerstörten Kirche zu neuem Ruhm verhalf. „Alfons wird in den Quellen als sehr familiär im Kreis der Olivetanermönche beschrieben und gilt als Zweitgründer des Sakralbaus.“ (Heidemann/Scrirocco, S.26). Das bedeutet, dass die Kirche ab der zweiten Bauphase ab 1470 zur Königskirche aufstieg und vermutlich auch als Grablege der Aragonesen in Neapel vorgesehen war.
Die grundlegende Einfachheit des Baus wird durch ein angelagertes Querhaus so wie durch an den Chor im Süden angelegte erweiterte Räumlichkeiten in Form einer alten Sakristei und einem Refektorium ergänzt. Mehrere angesetzte Kapellen im Osten des Langhauses sowie an der Westseite, als Querhaus, brechen den schlichten Grundriss auf und ermöglichen mehr Raum für geplante Grabmäler. Bei Betrachtung des Grundrisses wird auch deutlich, dass der Eindruck der Außenansicht durch die Fassadengestaltung getäuscht hat. Zwei Grabkapellen umschließen rechts und links den Eingangsbereich und ziehen das Innere somit bis vor in den nur scheinbar simplen Vorbau mit Eingangsportal.

Man kann davon ausgehen, dass bis zur Aufarbeitung der Kirche um 1470 durch Alfons II. und angesehene adlige Stifter, die Kirche ohne die angesetzten Kapellen erbaut wurde und nur das einschiffige Langhaus samt Chor, Sakristei und Refektorium bestand. Die Kapellen im Norden neben dem Eingangsportal sind um 1470 entstanden und zogen die Verbauung der Außenansicht mit sich.

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Die Grabkapellen

Der folgende Grundriss zeigt die Rekonstruktion der Familienpatronage durch Grit Heidemann. Durch ein Mouse-Over lassen sich zu allen Kapellen und Kunstwerken nähere aktuelle Informationen aufrufen. Leider funktioniert dies nicht in der Ansicht für Mobilgeräte.

Die Grabkapellen Piccolomini, Correale und Tolosa

Von besonderer Bedeutung ist zum einen die Piccolomini Kapelle, die sich links neben dem Atrium befindet und 1470 als Neubau angefügt wurde. Antonio Piccolomini, der Auftraggeber, ließ sie für seine früh verstorbene Frau Maria von Aragon errichten. Diese war die Schwester des Königs Alfons II. und Piccolomini war somit eng mit der Dynastie verbunden. Gleichzeitig war er aber auch Neffe von Papst Pius II. Dass er dennoch Neapel als Bestattungsort wählte, zeigt die soziale Verbundenheit zum Königshaus. Piccolomini war auch königlichen Geblüts und mit Eleonore von Portugal verwandt. Diese war die Schwester von Alfons V., der 1442 die aragonesische Dynastie nach seinem Sieg in Neapel begründete. Das königliche Selbstverständnis von Piccolimini lässt sich auch in der Kapelle wiederfinden.

Auf der linken Seite der Kapelle befindet sich das Grabmal für Maria von Aragon. Dieses wurde von Antonio Rossellino und Benedetto da Majano gestaltet und ist ein Wandnischengrab, welches so für Neapel im 15. Jahrhundert als neuartig zu gelten hat. Wandnischengräber kamen erst in der Mitte des 15. Jahrhunderts auf; als wichtiger Prototyp wird beispielsweise das Grab von Leonardo Bruni in Santa Croce genannt; welches der Bruder von Antonio Rossellino, nämlich Bernardo, gestaltet hat. Das Grab von Maria von Aragon nun nimmt die komplette Kapellenwand ein und lässt sich, abgesehen von der architektonischen Rahmung, in vier Zonen unterteilen. Die erste Zone ist der untere hohe Sockel, der mit einem antikisierten Girlandenfries geschmückt ist. Die Fläche des Sockels zeigt verschiedene Motive der antiken Mythologie, wie Herkules oder Amor. Auf der nächsten Ebene zeigt sich der hoch aufragende Sarkophag mit kannelierten Beinen, Löwenfüßen und einem Walmdach. Dies verweist ebenfalls auf antike Vorläufer, wie den Porphyrsarg im Pantheon von Rom. Die Inschrift im unteren Teil verweist auf die königliche Herkunft der Prinzessin, nobilitiert ihren Gatten und Auftraggeber Piccolomini und verweist auf das Entstehungsjahr 1470. Auf dem Sarkophag befindet sich die Liege mit dem Gisant der Verstorbenen, die hier als junges schlafendes Mädchen gezeigt wird. Ihr ruhendes, dem Betrachter zugeneigtes Gesicht scheint um Ruhe und Respekt vor ihrem Schlaf zu bitten. Das Motiv des „death of living sleep“ war sehr beliebt in der Begräbnisdichtung der Renaissance. 

Während Benedetto da Majano dafür bekannt ist, die Decke im Palazzo Vecchio in Florenz gestaltet zu haben, ist auch Antonio Rosselino kein unbeschriebenes Blatt und hatte zuvor bereits die Kapelle für Kardinal Jakobus von Portugal in der S. Miniato al Monte in Florenz umgesetzt. Stellt man die beiden Grabmonumente nebeneinander, verblüfft einen die Ähnlichkeit. Bis auf wenige geringe Abweichungen wie die Position (in Florenz an der rechten Kapellenwand), die Kleidung der Toten (in Florenz die Kardinalstracht) und das Tondo zwischen den Engeln betreffend (in Florenz ein rechteckiges Gruftfenster mit Onyx) sind sich die beiden Grabmale äußerst ähnlich. Einen großen Unterschied hingegen zeigt die Wand gegenüber des Wandnischengrabs. Während für Jakobus von Portugal eine Thronbank in der Rundbogennische aufgestellt wurde, findet sich in der Piccolomini Kapelle „nur“ eine leere Bank im Sinne der Memoria. Die Sediale muss als neuer Monumenttypus gesehen werden. Zwar trat sie zuvor bereits auf, war bis dahin aber nie als eigenständiges Werk inszeniert worden.

Die letzte Kapellwand ist mit ihrem Altar in einer Rundbogennische direkt auf den eintretenden Besucher ausgerichtet und markiert das liturgische Zentrum. Die Ausstattung der Kapelle, nämlich komplett in Marmor, emanzipiert sie von ihrem florentiner Vorbild und stellt sie als vollkommen innovativ in der Kapellengestaltung Neapels zu dieser Zeit dar.

Auch die Cappella Tolosa, die am linken Querarm gegen Ende des 15. Jahrhunderts angefügt wurde, ist in Hinsicht auf die einziehende Renaissancekunst mit florentiner Vorbildern ein tolles Beispiel. Paolo Tolosa kam aus Katalonien an den aragonesischen Hof und wurde mit Finanzgeschäften reich. Es ist naheliegend, dass er mit einer Familienkapelle seinem Aufstieg sichtbare Geltung verleihen wollte; die Kirche der Aragonesen war dafür ideal, da er ihnen seine Karriere in Neapel verdankte. Die Kapelle hat einen quadratischen Grundriss mit angefügtem Altarraum als Annex. Ein Grabmal ist nicht überliefert, dafür aber reichlich anderes Mobiliar. Ein Gestühl an den Seitenwänden befindet sich heute in der Neuen Sakristei von Monteoliveto; die Majolikafliesen mit den Emblemen des Stifters sind nicht mehr in der Kapelle und auch das von Bernardo Pinturicchio gemalte Altarbild befindet sich heute im Museo die Capodimonte. Die Wandfresken haben sich erhalten können und werden auf um 1500 datiert. Thematisch zeigen sie die Geschichte des Olivetanerordens sowie seines Namenspatrons (der heilige Paulus). Interessanter erscheint vor allem die Nähe zur Alten Sakristei von San Lorenzo und die Capella Pazzi in Florenz. „Während nicht nur die Lage und der Zugang in der Kirche [von der Tolosa Kapelle], sondern auch die Grundrissform offensichtlich an die Alte Sakristei von San Lorenzo in Florenz rekurriert, begegnen die Schirmkuppel und die Tondi mit den vier Evangelisten in den Bogenzwickeln in der Florentiner Capella Pazzi.“ (Heidemann-Schirmer, S.195) Interpretiert man letztere ohne geplantes Grabmal als Memorium der Familie Pazzi, erinnert die Capella Tolosa in ihrer gleichen Art an eine Übernahme dieser Funktion. Die Anlehnung an Florentiner Vorbilder würde sich somit über formale Parallelen hinaus erweitern. Der ausführende Architekt der Tolosa Kapelle in Neapel hingegen orientierte sich offensichtlich an Filippo Brunelleschis Alter Sakristei und stellt sich damit in dessen Nachfolge. Die Synthese der beiden Florentiner Sakralbauten vermittelt die Selbstinszenierung des Auftraggebers als erfolgreichen sozialen Aufsteiger.

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Betrachtet man die drei vorgestellten Kapellen, Piccolomini, Correale und Tolosa, dann zeigt sich, dass sich die Auftraggeber stark an außerneapoltanischen Vorbildern bedienten. Ihnen ist gleich, dass sie in Neapel zugezogene Adelsfamilien waren, die sich in Verbindung mit dem neuen Königshaus der Aragonesen vom alten Adel abgrenzen wollten. Dieser nämlich verband sich in seiner Grablegepraxis stark mit den Anjou. Wirft man einen Blick auf Grabmonumente unter dieser Dynastie wird schnell ein Formunterschied zu dem der aragonesischen Anhänger deutlich. Allein schon die Standortwahl, nämlich außerhalb der Stadtmauer bzw. in Territorien der niederen seggi verdeutlichen diese Abgrenzung und gleichzeitige Zuwendung zum aragonesischen Haus. Die neue Kulturpatronage der Aragonesen sowie die damit vermittelten Wertevorstellungen, die sich an der antiken Kultur orientieren, schlagen sich eben auch in der Kapellengestaltung in Santa Maria di Monteoliveto niedern. Die gesellschaftlichen Veränderungen in Neapel des 15. Jahrhunderts sowie auch fehlende Vorbilder von Grabmälern aragonesischer Könige (mit Ausnahme der Maria von Aragon) ermöglichten einen neuen Formfindungsprozess, der, orientiert an Florenz, antikisierte Formen und für Neapel absolut innovative Grabmalstypen im Renaissancestil darbot. Das Gruppenbewusstsein sowie das soziale Gefüge kann in Hinblick auf die Grabkapellen in Neapel nie unbeachtet bleiben, da sie wesentlichen Einfluss auf den Ort und die Form hatten.

______________________________________________________Tony Eva Hoyer

Literatur zum Thema

Heidemann, Grit/ Scrirocco, Elisabetta: Die Kirchen Santa Chiara und Santa Maria di Monteoliveto als Bestattungsorte der Adligen in Neapel. In: Working Papers des Sonderforschungsbereiches 640 2/2010, http://edoc.hu-berlin.de/series/sfb-640-papers/2010-2a/PDF/2a.pdf.

Heidemann-Schirmer, Grit: Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel. Gruppenbewusstsein und Selbstinszenierung, Diss. Berlin 2013.

Hersey, George L.: Alfonso II and the artistic renewal of Naples 1485-1495, New Haven/London 1969.