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Antike: Paestum

Geschichte

Die Stadt Paestum wurde 600 vor Christus von archaischen Siedlern aus Sybaris gegründet. Damals hieß sie Poseidonia, nach dem Meeresgott Poseidon benannt. Sybaris selbst war seit 720.Chr. eine Kolonie der Griechen an der Küste Kalabriens. Diese Kolonien waren sehr wichtig um das Mutterland mit Rohstoffen zu versorgen, aber auch um die überzählige Bevölkerung aufzunehmen. Wie Sybaris war das Umland bei Poseidonia sehr fruchtbar und die Stadt erreichte bald Wohlstand.

Das rechtwinklige Straßennetz, die erste Agora und die großen Tempelanlagen, die noch bis heute erhalten sind, entstanden im 6. und 5. Jh. v. Chr. Als um 400 v. Chr. die Lukaner die Stadt übernahmen, nannten sie sie in Paiston um. 273 v. Chr wurde sie dann unter den Römern zu einem militärischen Befestigungspfosten ausgebaut und in Paestum umbenannt.

Nachdem Paestum im 9. Jahrhundert durch die Sarazenen, im 11. Jahrhundert durch die Normannen zerstört worden war und die Malariagefahr mit der Versumpfung des Gebiets anstieg, verließen die Bewohner die Stadt, um auf einem höher gelegenen Gebiet eine neue Stadt zu gründen, Capaccio.

Karte Magna Graecia

Wiederentdeckung im 19. Jahrhundert

Mit der Entdeckung von Herculaneum und Pompeji wird auch die weitere Umgebung von Neapel erkundet und so Paestum wiederentdeckt. Als 1758 Johann Joachim Winckelmann die verwunschenen Ruinen der Tempel besucht, glaubt er, dass er und seine Begleiter die ersten Deutschen dort seien. Paestum wird Teil der Grand Tour, lockt Literaten wie Goethe und Seume an, aber natürlich auch viele Künstler, darunter Piranesi, die das Motiv der zerfallenen Tempel in der pastoralen Umgebung reizt.

Die Tempel von Paestum/ Poseidonia

Giovanni Battista Piranesi: Die Tempel von Paestum, 1778

Die Tempel

Wie schon vor mehr als zweitausend Jahren beherrschen heute die drei dorischen Tempel das Bild der Stadt. Poseidonia war eine so wohlhabende Stadt, dass sie es sich leisten konnte im Abstand von circa 50 Jahren drei große Tempel errichten zu lassen. Das ermöglicht heute sowohl die Entwicklung des dorischen Tempelbaues als auch den Einfluss von lokalen Eigenheiten nachzuvollziehen.

Verwendet wurde regionaler Muschelkalk, der stuckiert und bemalt wurde. Das Dach bestand aus einer Holzkonstruktion, die mit Tonziegeln gedeckt war. Östlich der Tempel sind Reste der Altäre zu finden, die Ort des Kultgeschehens waren. Bei den Zeremonien wurden meist Brandopfer dargebracht. Dies konnten Terrakottastatuetten, aber auch größere, kostbarere Opfergaben sein. Die Tempel entstanden, um den oft kostbaren Kultbildern Schutz zu beten und Distanz zwischen den Menschen und dem Haus eines Gottes zu schaffen. Nur Prister*innen hatten Zutritt.

Die heute sogenannte Basilika wurde Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. errichtet und war der erste Großbau der Stadt. Der Tempel war Hera, der Fruchtbarkeitsgöttin, geweiht, die in Magna Graecia am meisten verehrt wurde. Der Peripteros hat eine umlaufende Säulenreihe von 9 zu 18 Säulen, was dazu führt, dass man mittig in der Front vor einer Säule statt einem Joch steht. Im Inneren zieht sich mittig eine Säulenreihe durch, deren hintere Joche jedoch etwas geweitet wurden um Platz für Prozessionen zu lassen. Die Zweischiffigkeit ist ein früharchaisches Motiv und eine lokale Besonderheit, die hier aufgenommen wurde. In dieser Zeit konnten sich die wohlhabenden Kolonien von einem breiten Formenkanon bedienen und eigene Vorstellungen umsetzen.

Der im nördlichen Tempelbezirk gelegene Athena- oder auch Cerestempel, um 500 v. Chr. erbaut, erfüllt mit dem Säulenverhältnis von 6 zu 13 die klassisch kanonische Vorgabe. Jedoch finden sich auch ionische Formen, zum Beispiel in den heute leider nicht mehr erhaltenen Säulen der Vorhalles, des Pronaos, mit Basis uns Volutenkapitellen. Die Säulen der Ringhalle sind nur ca. 33 cm niedriger als die der Basilika, aber schon deutlich schlanker. Statt einer Eckkontraktion wurde beim Athenatempel die erste Metope stark verbreitert. der Tempel war zunächst Ceres zugeschrieben, jüngere Funde deuten jedoch auf Athena hin.

Da der gut erhaltene Poseidontempel aus der Mitte des 5. Jh. der größte Tempel in Poseidonia war, nahm man zunächst an, dass er dem Namensgeber der Stadt gewidmet war. Wahrscheinlich war er jedoch Zeus geweiht, worauf jüngste Funde von Zeusstatuen hindeuten. Doch da diese Diskussion noch nicht abgeschlossen ist, bleibt es zunächst beim alten Namen. Der außergewöhnlich gute Zustand ist dadurch zu erklären, dass die großen Steinblöcke statt mit Mörtel, mit Dübeln verbunden wurden. Das Dach und die Cellawände waren von den Normannen entfernt worden als diese den Tempel zu einer Kirche umbauten.

Im Gegensatz zum Athenatempel ist der Poseidontempel reindorisch und die große Ähnlichkeit mit dem Zeustempel in Olympia lässt vermuten, dass der Baumeister von Poseidonia den um 460 v. Chr. vollendeten Tempel kannte und sich daran orientierte. Der Tempel ist mit 6 zu 14 umlaufenden Säulen etwas länger als das klassisch kanonische Verhältnis. Die Cella wird wie beim Vorbild in Olympia durch zwei zweigeschossige Säulenreihen in drei Schiffe unterteilt.

Besonders ist hier vor allem die anspruchsvolle Lösung des Eckkonflikts. An den Eckjochen und Triglyphen wurden kaum wahrnehmbare Kontraktionen angewandt. Genauer gesagt, an den Eckjochen wurde eine einfache Kontraktion und an den Langseiten eine doppelte, also auf zwei Joche verteilte, Kontraktion durchgeführt. Außerdem wurde die deutliche Verstärkung der Frontsäulen mit den gleichzeitig engeren Interkolumnien von Olympia übernommen, was dem Baukörper die beeindruckende Monumentalität verleiht.

Funde der Ausgrabungsstätten

In der Sammlung des Museums befinden sich einige bedeutende Zeugnisse griechischer Kultur, vor allem Funde aus den Nekropolen der Umgebung. Neben den vielen bemalten Grabplatten der Etrusker aus dem 4. Jh. v. Chr. ist besonders das Grab des Turmspringers, La Tomba del Tuffatore, hervorzuheben. Es ist das einzige Beispiel eines bemalten Grabes aus der Zeit um 490-480 v. Chr. Die Deckplatte zeigt auf einzigartig schöne Weise einen ins Wasser springenden jungen Mann, was eine Metapher für den Übergang vom Leben in den Tod ist.

Marthe Liliane Wiblishauser

Grab des Turmspringers, Deckplatte

Deckplatte vom Grab des Turmspringers

Literatur

       Andreae, Bernard: Malerei für die Ewigkeit. Die Gräber von Paestum, München 2007.

       Gruben, Gottfried: Griechische Tempel und Heiligtümer, München 2001.

       Lamb, Carl; Curtius, Ludwig: Die Tempel von Paestum, Leipzig 1957.

       Sestieri, Pellegrino: Das neue Museum in Paestum, Rom 1956.