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Barock + Moderne: Dom, Cappella del Tesoro

Cappella del Tesoro di San Gennaro

Abb. 1: Cappella del Tesoro di San Gennaro

Die Cappella del Tesoro di San Gennaro und das Blutwunder

Die Cappella del Tesoro di San Gennaro ist der heiligste Ort Neapels. Denn sie beherbergt die Reliquien des Heiligen Januarius, dem Schutzpatron der Stadt. Dreimal jährlich kommt es zum so genannten Blutwunder, bei dem sich das in zwei Ampullen aufbewahrte Blut bei der Zusammenführung mit seinem Kopf verflüssigt.

Architektonischer Aufbau der Kapelle

Mit Beginn des Baus und der Ausschmückung ab 1608 wurde eine Orientierung an Rom programmatisch. Die Deputazione del Tesoro di San Gennaro suchte ihren Wunsch nach der Formensprache des römischen Hochbarocks umzusetzen und wandte sich an die Exponenten der von den Carracci-Brüdern ausgebildeten Malerschule Bolognas beziehungsweise an römisch geschulte Künstler. Letztendlich waren zahlreiche Künstler über Jahrzehnte hinweg an der Ausschmückung der Kapelle involviert.

Der Architekt Francesco Grimaldi entwarf einen selbstständigen Anbau am rechten Seitenschiff des Domes, der durch ein prächtig verziertes Messingtor von Cosimo Fanzago (1591-1678) abgegrenzt wird. Der oktogonale Zentralkuppelbau basiert in seinem Grundriss auf der Form eines griechischen Kreuzes. Der Raum erfährt durch den verlängerten Chorarm eine „Richtung“ und somit eine Orientierung zum Hauptaltar von Francesco Solimena, auf dem die prunkvolle Silberbüste des Heiligen Januarius präsentiert wird, die seine Gebeine enthält. Die kurzen Seitenarme sind tonnengewölbt. Über der Vierung erhebt sich eine Kuppel, die auf einem Tambour basiert.

Statuenzyklus

Neben den kolossalen Marmorstatuen des Petrus und Paulus an Eingangsfassade, übernimmt Giuliano Finelli ebenfalls im Innern der Kapelle den Entwurf für 13 der insgesamt 19 Bronzestatuen, die wiederum jeweils in eine eigene Nische eingefasst sind. Die übrigen sechs Bronzestatuen wurden von Marinelli, Fanzago und Vinaccia ausgeführt. Unter den Nischen befinden sich kleine Mauervertiefungen in denen sich die Reliquie, aufbewahrt in einer Silberbüste, des entsprechenden Heiligen befindet.

Bei den Bronzestatuen handelt es sich um die Schutzpatrone der Stadt Neapel. Dabei beherbergt der Chorraum den innersten Kreis des Stadtheiligtums. Die Mitte und somit das Zentrum bildet die Statue des Heiligen Januarius. Um ihn herum und mit ihm bilden die sieben antiken compatroni die wehrhafte Phalanx der Schutzheiligen. Auch die übrigen Schutzheiligen des Kapellenraums stehen jeder in ihrer individuellen Art und Weise in Verbindung zur Stadt Neapel.

Entgegen seiner compatroni wird Januarius als Einziger im sitzenden Zustand dargestellt, was seine besondere Stellung unterstreicht. Er ist eingebettet in eine Nische, die ihre Nachbarnischen in Höhe und Breite übertrifft und zudem ganz auf Prachtwirkung abzielt. Auf einem Bischofsstuhl, der cathedra, thront der Heilige Januarius und ist zugleich die Statue mit der größten Raumoffenheit und der dynamischsten Komposition. Die Sitzhaltung ist hierbei ein Symbol höchster geistlicher und weltlicher Funktion; der Thron bezeichnet Amt, Souveränität und Majestät. „Geehrt wird der Gennaro, der über das Schicksal der Stadt richtet, sie regiert, ihre Wohlfahrt und ihren Frieden sichert, sie segnet und ex cathedra ihr höchstes Lehramt ausführt.“ (Dombrowski, 1997)

Jusepe Ribera, Der Heilige Januarius entsteigt unversehrt dem Feuerofen

Abb. 11: Jusepe Ribera, Der Heilige Januarius entsteigt unversehrt dem Feuerofen, 1646

Dekorative Ausschmückung des Kapellenraums

Für die Gewölbefresken wurden zunächst Anträge an Cesare d’Arpino, gen. Cavalier d’Arpino, Guido Reni und Fabrizio Santafede gestellt, bevor man sich auf Domenico Zampieri, gen. Domenichino einigte. Bis zu seinem Tod im Jahr 1641 freskiert Domenichino die Lünetten, Bogenlaibungen und Kuppelzwickel und malte fünf der sechs Altarbilder. Die Themen der Freskenausstattung und der Bilder sind dem Leben des Heiligen Januarius entlehnt.

Den Gläubigen am Nächsten befinden sich die vier Altartafeln vor den Eckpilastern. Sie zeigen, wie Januarius durch individuelle Wunder in die neapolitanische Lebenswirklichkeit eingreift. Im rechten Kreuzarm befindet sich ein Werk Jusepe Riberas. Nach dem frühzeitigen Tod Domenichinos überließ die Deputazione Ribera die Fertigung der sechsten Altartafel. Das Bild besticht durch seine Farbintensität, was nicht zuletzt auf dem Umstand beruht, dass es auf einer Kupferplatte gemalt wurde. Die breite und abwechslungsreiche Farbpalette stützt sich auf dem Gegensatz des strahlenden Himmelblaus, dem goldgelben Gewand des Bischofs und der rötlich braunen Finsternis der Figurenszene am linken Bildrand. Mit diesem Bild vollzieht Ribera eine Wende von der neapolitanischen tenebrösen Manier des Caravaggismus hin zum neovenezianischen Kolorit, was eine folgenreiche Wende für die Malerei Neapels zur Folge hatte.

Die Dekoration der Lünetten der Kreuzarme zeigen Schilderungen historischer Momente in Vermischung mit kollektiv erfahrenen Wundern nach dem Tod des Heiligen Januarius, sowie eine Martyriumsszene. Der Chorraum verfügt über keine Lünette, sondern ist an dieser Stelle durch ein Fenster ersetzt.

Jeweils drei Fresken schmücken die Rundbogenlaibungen der Kreuzarme. Dabei beschäftigen sich die Fresken des Chorarms mit den Darstellungen, die auf das Martyrium des Heiligen Januarius hinleiten. Die Fresken der beiden seitlichen Kreuzarme zeigen Ereignisse, die in Verbindung zum Martyrium des Heiligen stehen. Im Rundbogen des Eingangs werden schließlich Erzählungen, die sich zeitlich nach dem Martyrium ereigneten, abgebildet.

Timotheus, Präfekt von Kampanien, versucht mehrfach vergeblich Januarius von seinem christlichen Glauben abzubringen. Nachdem Januarius bereits die Feuerprobe in einem Ofen überstand (wie wir es bei Riberas Altarbild sehen), konnte er ihn ebenfalls nicht durch Folter zum Konvertieren bewegen. Daraufhin lässt er Januarius und zwei seiner Gefährten vor einen Streitwagen spannen, den sie von Nola nach Pozzuoli zogen, wo sie in ein Amphitheater mit wilden Löwen und Bären gesperrt wurden. Allerdings zähmte Januarius die Tiere, woraufhin Timotheus, rasend vor Wut durch die öffentliche Demütigung, dessen Enthauptung veranlasste.

Mit dem Tondo über dem Hochaltar wird die historisch-nacherzählende Ebene verlassen. Durch den Eingriff der göttlichen Wirklichkeit in die irdische Geschichte, wird der Reigen der Zwickelfresken eingeleitet.

Der links an den Chor grenzende Zwickel zeigt den Heiligen Januarius, wie er von Christus im Himmel empfangen wird. Rechts vom Chor ist seine Ernennung zum Schutzpatron Neapels zu sehen. Dem Uhrzeigersinn folgend hält zunächst Januarius und schließlich die Jungfrau Maria Fürsprache für die bußfertige Stadt.

Kuppelfresko

Nach dem Tod Domenichinos 1641 wurde Giovanni Lanfranco mit der Ausschmückung des Kuppelfreskos beauftragt. Mit dem Kuppelfresko wird dem Betrachter das Paradies verbildlicht, woraufhin das Bildprogramm letztendlich hin arbeitet. Die in konzentrische Kreise gegliederte Himmelsgesellschaft wird dabei in zwei Pole unterteilt, aus deren Mitte sich der Gottvater hervorhebt. Mit Christus auf der einen und Maria auf der anderen Hälfte der Kuppel, werden die Halbkreise dazwischen von einer scheinbar grenzenlosen Menge von Figuren bevölkert. Demnach fungiert die Masse der Gläubigen hier als Spiegel der unüberschaubaren Menge der Seligen des Paradieses.

-> Ausführlichere Informationen und Literaturangaben bitte der PDF-Datei entnehmen.

- Heike Müller