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Antike: Ercolano

Blick auf Herkulaneum

Kürzlich noch war der Vesuv beschattet von grünenden Reben, edler Traubensaft ward hier in die Kufen gepreßt.

Mehr als die Hügel von Nysa hat Bacchus geliebt diese Höhen, jüngst haben hier noch am Berg Faune im Reigen getanzt.

Hier war die Stätte der Venus, die mehr als Sparta sie liebte, hier war die Stadt, welche durch Herkules' Namen berühmt.

All dies ging auf in Flammen und liegt unter Asche begraben: selbst die Götter gereut's, daß sie dies Unheil vollbracht. 

Martial 4,44.

Trunkener Hercules

Trunkener Hercules aus dem 'Haus der Hirsche'

Ercolano - Hercules in Herculaneum

Im 1. Jahrhundert v. Chr. wird vom griechischen Historiker Dionysios von Harlikarnassios berichtet, dass Hercules sich an die Küste Kampaniens begibt und seine Schiffe im heutigen Herculaneum vor Anker lagen. Dem Namen und Ursprung nach war die Stadt daher nicht römisch, sondern griechisch. Viele Häuser, auch im privaten Bereich, haben Teile dieser Mythologie in ihrer Dekoration genutzt. Ein Beipsiel dafür ist das 'Haus der Hirsche', die Casa dei Cervi, aus der die Skulptur des 'Trunkenen Hercules' stammt.

Große Herkulanerin

Statue "Große Herkulanerin"

Die Grabungen in Ercolano

Die Entdeckung der antiken Stadt Ercolano (deutsch: Herculaneum) lässt sich besonders ab dem Zeitpunkt der ersten angeordneten Grabungen durch die bourbonische Herrschaft aufzeichenen. Zuvor gab es mehrere Schatzgrabungen, deren Ergebnise kaum zusammengefasst werden können.

Wie das Gedicht des Martial (lat. Dichter, lebte zwischen 40-104 n. Chr.) bereits schlussfolgern lässt, wurde die Stadt um 79 n. Chr. durch einen Vulkanausbruch des Vesuv unter einer dicken Lavaschicht vergraben.

Die Besonderheit der Entdeckung Herculaneums liegt im Reichtum und in der Erhaltung einer antiken Stadt. Durch die Grabungen in der Stadt ist das antike Alltagsleben in vielen Fällen bis in kleine Details nachvollziehbar. So haben neben Politikern, Arbeitern auch Fischer am Golf von Neapel in sogenannten Bootshäusern gearbeitet.

1709 kaufte der der in Österreich dienende Kavalleriekommandant Emanuel Moritz von Lothringen Prinz von Elbœuf 1709 eine Seevilla am Strand von Portici. Bei Reparaturarbeiten am Brunnen oberhalb des antiken Theaters von Herculaneum entdeckte man Marmorreste, die den Prinzen dazu veranlasst haben, weitere Stollengrabungen anzuweise. Es wurden zahlreiche Porträtbüsten und 18 lebensgroße Statuen, unter anderem die kleine und große Herkulanerin (damals als Vestalinnen identifiziert), die in Dresden in die Sammlung August des Starken als Geschenk Karls von Spanien für den Vater seiner Frau Maria Amalia, gerieten. Sieben Jahre später wurde Duca Giacinto Falletti di Cannalonga Nachbesitzer der Villa und fand 177 weitere Büsten im Erdreich der Villa.

Theater Herkulaneum

Grundriss des Theaters, Rekonstruktion

Haus der Hirsche

Wandmalerei im 'Haus der Hirsche'

Die Funde aus Ercolano

Die ersten größeren Grabungen starteten in Herculaneum im Oktober 1738. An der Sommerresidenz des Königs in Portici, die ab 1736 gebaut wird, wurden außergewöhnliche Statuen aus Marmor und Bronze gefunden, sowie Inschriften, die zur Bühnendekoration des Theaters in Herculaneum gehörten. 1740 gelang die konkrete Identifizierung der Stadt Herculaneum mithilfe eines Inschriftenfundes am Theater. Die Grabungen sind ab diesem Zeitpunkt besser nachzuvollziehen, da Militäringenieure als Grabungsleiter eingesetzt wurden, die nicht nur das Grundwissen zu Sprengungen und Tunnelbau haben, sondern auch konkrete Grabungspläne anfertigten. Bei diesen Grabungen ist zu beachten, dass diese unter der königlichen Leitung stattfanden. Die Funde und Befunde wurden in immer genaueren und formalisierten Grabungsberichten festgehalten, die auch zum Austausch zwischen Grabungsleiter, Administration und König dienten. In großer Zahl und guter Erhaltung sind beipielsweise auch Wandmalereien in den Villen der Stadt freigelegt wurden. Zu sehen ist hier die Wandmalerei aus dem Haus der Hirsche (Casa dei Cervi). Gefunden wurde sie im  Triclinium und zeichnet sich durch den Vierten Stil aus.

In der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die ca. 25 Meter dicke Lavaschicht über Herculaneum mit Stollengängen weitläufig durchlöchert und schließlich auch für Touristen zugänglich gemacht. Großflächige Freilegungen von Ruinen in Pompeji fanden ab dem Jahr 1763 statt, in Herculaneum erst 1927 (nach einem ersten Versuch 1828). Diese Grabungsmethode ermöglichte die Untersuchung der Stadt-, Wohn- und Straßenstruktur und zielte weniger auf archäologische Funde ab. 

Die Funde aus einzelnen Fundkomplexen, die in ganz Ercolano ans Licht kamen, befinden sich heute im Archäologischen Nationalmuseum in Neapel.

Pisonenvilla

Grundriss der Pisonenvilla

Die Pisonenvilla

Ein wichtiges Ereignis während der Grabungen in Herculaneum war die Entdeckung der sogenannten Pisonenvilla (Villa dei Papiri) zwischen 1754 und 1758, nordwestlich der antiken Stadt gelegen. Die Villa ist insgesamt 253 x 32 m groß und überzeugt durch ihre herausragende Erhaltung. In der Gegenwart wurden die größten Grabungen im Jahre 1998 vorläufig abgeschlossen. Der Besitzer der Villa war aller Wahrscheinlichkeit nach Caesars Schwiegervater Lucius Calpurnius Piso Caesoninus, ein römischer Konsul im Jahre 58 v. Chr.

In der Villa war die reiche Ausstattung noch nachvollziehbar, es wurden auch Bronze- und Marmorstatuen gefunden, sowie Mosaiken, Hausrat, kostbare Waffen, Gläser und Malerei. Die Villa, hatte ein Tablinum (= Raum, der direkt an das Atrium angrenzte, auf der am Eingang gegenüberliegenden Seite) und eine Bibliothek, die einen Sensationsfund beinhaltete: es wurden nahezu 1000-1800 verkohlte Papyrusrollen gefunden. Aus der Pisonenvilla stammt auch der bekannte Kopf des Doryphoros, der sich heute im Archäologischen Nationalmuseum Neapel befindet. In diesem Museum ist ein Raum für die Funde aus der Pisonenvilla eingerichtet wurden. Ein weiterer bekannter Fund ist der Sitzende Hermes.

Karl III. von Spanien

Karl III. von Spanien

Die Bedeutung der Grabungen in Ercolano

Die politische Bedeutung

Neapel gehörte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu den kultiviertesten und zivilisiertesten Städten in Italien. Eine Tatsache, die sich zwar nicht nur auf das Interesse an der Antike zurückführen lässt, aber dennoch Thema sein soll. Im frühen 18. Jahrhundert befand sich Neapel unter spanischer Fremdherrschaft, die zu einseitigen Begünstigungen von Adel und Klerus führten. Die mit der Renaissance einsetzenden modernen Entwicklungen im Gesellschaftlichen, Politischen, sowie Wirtschaftlichen und in der Kunst wurden zu Beginn entschärft. Dies schien sich aus archäologischer Sicht zu Beginn der Grabungen in Herculaneum und später in Pompeji zu ändern. Die Grabungen, die unter der Leitung der königlichen Administration stattfanden, wurden strukturiert durchgeführt und bekamen zudem noch finanzielle Unterstützung. Neapel sollte seine Stellung als kulturreiche Stadt mit dem Bau der Museen, unter anderem auch das Archäologische Nationalmuseum, steigern und das europäische Interesse wecken. Aufgrund der erfolgreichen und ertragreichen Grabungsmissionen wurde Neapel schnell bekannt. Die Stadt entwickelte sich als Endstation der 'Grand Tour', ganz getreu dem Motto: „Neapel sehen und sterben“. Deutlich zu erkennen ist ein Wachstum an Touristen, damit verbunden erweiterte sich die Infrastruktur, die lokale Wirtschaft, etc. Das Ziel des Königs Karl III, die wohlhabende Elite nach Neapel zu locken und sein Prestige zu steigern war zumindest aus dieser Sicht erfüllt.

Kopie Große Herkulanerin

Kopie der Statue 'Große Herkulanerin'

Die Wiege des Klassizismus

Der Fund der Kunst aus Ercolano hat die Kunst der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stark geprägt. Die Ausbildung eines neuen Stils, der sich auf die antiken Funde bezieht kann auf die Begeisterung über die Entdeckung auch im nordalpinen Bereich bezogen werden. Dieser neue Stil zeigt sich im Kunsthandwerk, der Mode und auch in der dekorativen Malerei. Ein Beispiel für diesen "Geschmack des Alten" ist die Kopie der 'Großen Herkulanerin' von Christian Gottfried Jüchtzer. Die Kopie befindet sich in der Königlich Sächsischen Porzellan-Manufraktur Meißen.

Fazit/Zusammenfassung

Insgesamt waren die 1740er und 1750er Jahre die goldenen Jahre der Grabungen, die unter verschiedenen Grabungsleitern stattfanden: Alcubierre zwischen 1738-1741, danach Bardet von 1741-1745, danach wieder Alcubierre bis 1749 und der Schweizer Karl Weber von 1750-1764, auf dessen Tod Francesco La Vega folgte.

In Herculaneum wurden einzelne freistehende Gebäude freigelegt: das Theater, die Basilika, die Galleria Balbus (Basilica Noviana), ein Palaestrakomplex, sowie Wohnhäuser und Villen, darunter die bereits erwähnte Pisonenvilla, die von Karl Weber erforscht wurde.

In dem untenstehenden Plan sind die wichtigen Orte markiert, die in dem Text erwähnt wurden. In der Neatline ist das Museum ebenfalls vermerkt.

Plan Ercolano

[Marlena Riedel]

Weiterführende Literatur

  • Guidobaldi, Maria Paola: Schatzgräber und Archäologen. Die Geschichte der Ausgrabungen von Herculaneum, in: Mühlenbrock, Josef; Richter, Dieter (Hrsg.): Verschüttet vom Vesuv. Die letzten Stunden von Herculaneum, Mainz 2005, S.17-26
  • Maiuri Amedeo; Maiuri Bianca: Das Nationalmuseum in Neapel, München 1958
  • Meynersen, Felicia; Reinsberg, Carola (Hrsg.): Jenseits von Pompeji. Faszination und Rezeption ; Akten des gleichnamigen Symposiums im Saarlandmuseum Saarbrücken, vom 21. - 23. Juni 2007, Darmstadt 2013
  • Mühlenbrock, Josef; Richter, Dieter (Hrsg.): Verschüttet vom Vesuv. Die letzten Stunden von Herculaneum, Mainz 2005
  • Pisani, Salvatore: Herkulaneum und Pompeji, in: Salvatore, Pisani; Siebenmorgen, Katharina (Hrsg.): Neapel. Sechs Jahrhunderte Kulturgeschichte, Berlin 2009, S. 337-350
  • Wallace-Hadrill, Andrew: Herculaneum, Darmstadt/Mainz 2012