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Mittelalter: Die Franziskanerkirche San Lorenzo Maggiore

Baugeschichte & Bedeutung

San Lorenzo Maggiore wurde abb 1270 erbaut und gilt damit als älteste Franziskanerkirche der Stadt. Der Komplex, bestehend aus einer Saalkirche und einem Kloster liegt zwischen Via Tribunali und Via San Gregorio Armeno, im antiken Stadtkern, auf dem ehemaligen römischen Forum. Kirche und Kloster wurde über den Resten einer antiken Basilika errichtet. Die Bauzeit zog sich in mehreren Bauphasen mit längeren Pausen über die gesamte Regierungszeit der drei Anjou-Herrscher Karl I, Karl II und Robert, dem Weisen. (1)

Als Auftraggeber des Baus fungierte der Franziskanerorden. Über die Finanzierung gibt es widersprüchliche Aussagen: In manchen Quellen wird behauptet, die Kirche sei teils direkt durch die Anjou finanziert bzw. auch indirekt durch verschiedene Stiftungen an den Orden. Caroline Bruzelius schreibt in ihrer Publikation "Stones of Naples", dass es keinerlei Aufzeichnungen gäbe, die eine direkte Verbindung zwischen Karl I. und dem Bau der Kirche belegen. Ihr zufolge waren die maßgeblichen Kräfte, die den Bau vorantrieben, der Orden selbst sowie bürgerliche Stifter. (2)

Durch die phasenweise Errichtung der Kirche unterlag die Gestaltung unterschiedlichen Einflüssen und Zeitgeisten. tatsächlich wurden für den Bau San Lorenzos Architekten und Baumeister sowie Steinmetze aus Frankreich engagiert. Diese arbeiteten jedoch nicht autonom, sondern mit lokalen Handwerkern zusammen. (3) So weist die Architektur sowohl Elemente der französischen Gotik als auch lokaler Traditionen auf und verbindet diese zu einem neuen Erscheinungsbild: Kreuzrippengewölbe in Kombination mit Holzbalkendecken; Verwendung antiker Spolien; hohes, kastenartiges Querschiff sowie flache Wandoberflächen, wie sie sowohl in frühen gotischen Kirchen Frankreichs, in anderen Bettelordenskirchen als auch zuvor schon in Neapel zu finden waren. (Beispiele für Vergleichsbauten sind in Frankreich die Kathedrale von Angers, die Templerkapelle in Avignon sowie in Aix-en-Provence etwa Saint Jean de Malte und die Kathedrale Saint-Saveur. In Italien können Bezüge zu folgenden Sakralbauten hergestellt werden: San Francesco Immacolata in Messina, San Francesco in Bologna sowie die Kathedrale von Lucera, Santa Croce in Florenz und weitere. (4))

Heute lässt sich die mittelalterliche Gestaltung San Lorenzos, die wohl eine Mischung aus angevinischer Gotik, gotischer Franziskaner-Architektur und lokalem Stil darstellte, nur noch an wenigen Stellen deutlich nachvollziehen, präsentiert sich die Kirche doch aktuell in einer Melange unterschiedlicher Baustile. Tatsächlich blieb über die Jahrhunderte kein Teil der Kirche unangetastet, immer wieder wurde in Folge von Erdbeben, Kriegen etc. modifiziert, verbessert, restauriert, repariert, ausgeschmückt. Insofern muss eine Deutung der ursprünglichen Struktur hypothetischer Natur bleiben. (5)

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Grundriss & Außenfassade der Kirche

Grundriss

Der Komplex San Lorenzo besteht aus der Kirche sowie dem angegliederten Kloster. Die Außenmaße der Kirche betragen: 80 Meter Gesamtlänge sowie 39 Meter maximale Breite im Querhaus. (6)

Es gab zahlreiche Planungsumbrüche in der Bauzeit. Die ursprüngliche frühchristliche Kirche, deren Grundstruktur noch heute in der Struktur der Kathedrale ablesbar ist, war dreischiffig und hatte einen halbrunden Chorabschluss sowie ein Atrium. In der ersten Planungsphase unter franziskanischer Leitung, d.h. ab ca. 1250 wurden der Basilika an den Seiten Kapellen mit Kreuzrippengewölben angefügt. In den Erweiterungsplänen, die um 1279 entstanden, wurden die ursprünglichen Maße der Kirche nahezu verdoppelt: es wurde ein Umgangschor mit Kapellenkranz sowie zahlreiche weitere Kapellen längs des Schiffes geplant. Das Atrium sollte zunächst beibehalten werden. (7)

Die heutige Struktur geht auf die Planungen von ca. 1340 (s. Bruzelius, S. 61) zurück: Die Kathedrale wurde nun um ein Querhaus ergänzt, und die Spolien der antiken Basilika dienten nun als Pfeiler für die den Kapellen des Langhauses vorgeblendeten Spitzbogenarkaden und das Atrium wurde aufgelöst. (8)
So stellt sich San Lorenzo Maggiore heute als einfache Saalkirche dar, die aus folgenden Elementen besteht: einem einschiffigen Langhaus von 24,5 Metern Höhe mit offenem Dachstuhl und an jeder Seite eine Reihe kreuzrippengewölbter Kapellen; einem ausgesprochen hohen, typisch neapolitanischen kastenartigen Querschiff mit einer Höhe von 27,4 Metern, zu dem mittels eines Triumphbogens vermittelt wird, und das einen ebenfalls offenen Dachstuhl sowie Kapellen an den Stirnseiten aufweist. Der Chor ist polygonal angelegt und, wie der Chorumgang auch, von einem Kreuzrippengewölbe überspannt. Umfasst wird er von einem strahlenförmig angeordnetem Kapellenkranz. (9)

Außenfassade

Die heutige Außenfassade stammt aus dem Jahr 1743. Sie wurde von Ferdinando Sanfelice nach einem Erdbeben im barocken Stil wieder aufgebaut. Nur das Marmorportal aus dem 14. Jahrhundert blieb erhalten.

Es führen drei Portale in die Kirche. Das Hauptportal mit den gotischen Fragmenten sowie dem quadratischen, viergeschossigen Campanile aus dem 15. Jahrhundert befindet sich an der Piazza San Gaetano. Zwei Seitenportale finden sich an der Via dei Tribunali bzw. zum Kreuzgang des Klosters hin. (10)

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Innenraumgestaltung

Die Kirche stellt sich durchgehend zweigeschossig dar: das untere Geschoss umfasst Kapellen sowie Chorumgang, während der Obergaden den basilikal erscheinenden Chor, Querhaus und den Saalbau des Langhauses umschreibt. Der Baustil ist, für Bettelordenskirchen typisch, insgesamt schlicht gehalten, mit glatten, kaum gegliederten Wänden.

Der älteste erhaltene Teil im Inneren von San Lorenzo ist der Kapellenchor. Dieser wurde von Steinmetzen aus dem französischen Anjou gefertigt und wird gemeinhin als „französisch“ beschrieben. Man findet hier folgende Elemente, die der französischen Gotik entsprechen: Kreuzrippengewölbe, Maßwerk, außenliegende Strebebögen, Knospenkapitelle sowie zierliche Dienstbündel an den Arkadenbögen. Die Fenster sind in diesem Teil der Kirche am aufwendigsten gegliedert. Hier sieht man Lanzettfenster gekrönt von Drei- oder Vierpässen. Die doppelten Rundstabprofile sind mit Knospenkapitellen geschmückt. Es ist anzunehmen, dass sowohl die Umsetzung als auch der Entwurf eine französische Handschrift tragen. (11)

Das Langhaus wird von einer dunkel getönten Holzbalkendecke überspannt, wie sie für die Region typisch ist. Die Decke wird schwer und scheint die Kirche zu erden, womit sie in ihrer Wirkung stark mit dem gotischen, leicht und aufstrebend erscheinenden Kreuzrippengewölbe des Umgangschores kontrastiert. Licht fällt durch acht einfache Lanzettfenster mit farblosem Glas sowie durch ein großes rechteckiges und ein rundes Fenster in der Fassade ein. In die Kapellen des Langhauses wurden einfache Maßwerkfenster eingefügt, die aus zwei oder drei Lanzetten mit einem darüber liegenden Oculus bzw. Maßwerk bestehen Die Wände des Langhauses weisen innerhalb des Obergadens keinerlei gliedernde Dienste auf. Zwischen Obergaden und Arkadenzone befindet sich lediglich ein schmales Horizontalgesims.(12)

Das Querhaus wiederum verfügt über sechs runde Fenster, ebenfalls mit farblosem Glas. Alle weiteren Fenster sind in Lanzettform mit schlichtem Maßwerk in Fom eines Dreipasses angelegt. Die Wände sind schmucklos. Das Querhaus wird gegenüber dem Langhaus von einem weiten, aus mehreren Dienstbündeln bestehenden Korbbogen abgesetzt. Zwischen Querhaus und Chorumgang befindet sich ein Arkadendurchgang mit Spitzbogen, der zusammen mit dem Korbbogen ein Dreikapellenmotiv bildet.(13)

An das Langhaus angegliedert finden sich zahlreiche Kapellen, die in unterschiedlichen Baustilen gehalten sind und teils als Grablegen für niedere Mitglieder der Königsfamilie sowie für hochrangige französischstämmige Bürger Neapels dienten. Diesen Kapellen vorgeblendet sind Arkadenbögen, die an der südlichen Seite aus unterschiedlichen mittelalterlichen Bauphasen sowie teils aus dem Barock stammen und in die darüber hinaus noch antike Spolien integriert wurden. Die teils einfachen, teils doppelwandigen Arkadenbögen an der Nordseite wurden nicht barock überformt. (14)

Das bedeutendste Grabmal der Kirche ist das der Katharina von Österreich (Ehefrau von Karl von Kalabrien, Schwiegertochter des Anjou-Königs Robert). Es handelt sich um ein monumentales, freistehendes Baldachingrabmal, das sich im Vorchorjoch befindet, positioniert zwischen den ersten beiden Pfeilern des Umgangschores. Es wurde 1324 von dem Sieneser Bildhauer Tino da Camaino in Zusammenarbeit mit lokalen Bildhauern fertig gestellt wurde und stilistisch norditalienische und regionale Einflüsse vereint: Da Camaino schuf alle vollplastischen Figuren sowie die Löwen und die Reliefs. Die Gesamtarchitektur weist stärker süditalienische Züge auf, was darauf hinweist, das Da Camaino erst beauftragt wurde, nachdem mit dem Bau bereits begonnen worden war. Vor allem die wuchtig wirkenden Säulen, die Kapitelle sowie die Mosaikinkrustationen sind als typisch neapolitanisch zu betrachten. (15)

Text: Lena Ludwig-Hartung

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Literatur zum Thema:

Berger-Dittscheid, Cornelia: S. Lorenzo Maggiore in Neapel. Das gotische „Ideal“-Projekt Karls I und seine „franziskanischen“ Modifikationen, in: Christof, Andreas: Festschrift für Helmut Biermann, Weinheim, 1990

Bruzelius, Caroline: The stones of Naples : church building in Angevin Italy, 1266 – 1343, New Haven, 2004

Krüger, Jürgen: S. Lorenzo Maggiore in Neapel : eine Franziskanerkirche zwischen Ordensideal und Herrschaftsarchitektur; Studien und Materialien zur Baukunst der ersten Anjou-Zeit , Werl/Westfalen, 1986

Michalsky, Tanja: Memoria und Repräsentation : die Grabmäler des Königshauses Anjou in Italien, Göttingen, 2000

Wagner-Rieger, Renate: S. Lorenzo Maggiore in Neapel und die süditalienische Architektur unter den ersten Königen aus dem Hause Anjou, Wien, 1961

Warr, Cordelia / Elliott, Janis: Art and Architecture in Naples, 1266-1713: New Approaches, West Sussex, 2010

Website der Ausgrabungsstätte unter San Lorenzo

Fußnoten:

(1) Bruzelius, Caroline, The stones of Naples: church building in Angevin Italy, 1266 – 1343, New Haven, 2004 S. 47-51 / Krüger, Jürgen: San Lorenzo Maggiore: eine Franziskanerkirche zwischen Ordensideal und Herrschaftsarchitektur; Studien und Materialien zur Baukunst der ersten Anjou-Zeit , Werl/Westfalen, 1986, S. 19 f.
(2) Bruzelius, Caroline, Stones of Naples,ebd., S. 12 und 47 f.
(3) Bruzelius, Caroline, Stones of Naples, ebd., S. 9 / Schenkluhn, Wolfgang, Architektur der Bettelorden, Die Baukunst der Dominikaner und Franziskaner in Europa, Halle an der Saale, 2000, S. 80
(4) Bruzelius, Caroline, Stones of Naples, ebd., S. 21-23 / Bruzelius, Caroline & Tronzo, William: Medieval Naples, an architetural & urban history 400 – 1400, New York, 2011, S. 73 f. / Borngässer, Barbara, Architektur der Gotik in Italien, in Tomann, Rolf: Gotik, Architektur, Skulptur, Malerei, Köln, 2007, S. 242 / Thoenes, Christoph, Neapel und Umgebung, Stuttgart, 1983, S. 177
(5) Bruzelius, Caroline, Stones of Naples, ebd., S. 4-5 und S. 47 f. / Michalsky, Tanja, Memoria und Repräsentation: die Grabmäler des Königshauses Anjou in Italien, Göttingen, 2000, S. 283 f.
(6) Krüger, Jürgen, ebd., S. 19 f.
(7) Bruzelius, Caroline, Stones of Naples, ebd., S. 60 f.
(8) Bruzelius, Caroline, Stones of Naples, ebd., S. 60 f.
(9) Krüger, Jürgen, ebd., S. 19 f.
(10) Krüger, Jürgen, ebd., S. 50 f.
(11) Krüger, Jürgen, ebd., S. 49 f.
(12) Krüger, Jürgen, ebd., S. 49 f.
(13) Krüger, Jürgen, ebd., S. 49 f. / Schenkluhn, Wolfgang, ebd., S. 77 f.
(14) Krüger, Jürgen, ebd., S. 49 f.
(15) Michalsky, Tanja, ebd., S. 95 f.