Skip to main content

Mittelalter: S. Chiara

Complesso di Santa Chiara

Die Basilika von Santa Chiara (hier: Außenansicht) ist das Herzstück der Klosteranlage und hat seit Beginn der Bauzeit 1310 viele Veränderungen erlebt.

Neapel, Der Klosterkomplex von Santa Chiara

Baugeschichte

Der Zeitpunkt der Grundsteinlegung für den Klosterkomplex von Santa Chiara ist der Beginn des 14. Jahrhunderts. Nach langen Kriegen und dem Frieden von Caltabelotta (1302) ist das alte Königreich Sizilien mittlerweile in einen Festlandteil (Neapel) und einen Inselteil (Sizilien) aufgeteilt. Seit 1301 herrscht das Königsgeschlecht der Anjou über Neapel. Robert der Weise (1278-1343) ist seit 1309 der zweite König von Neapel. Nur ein Jahr später stiftet seine Gattin Sancia di Mallorca den Klosterkomplex.

Eine kleine Anekdote dazu: Der Grund für die Stiftung eines Frauenklosters lag in Sancias Absicht, nach dem Ableben ihres Mannes, ihren eigenen Lebensabend innerhalb dieses Frauenkonvents zu verbringen. Woher sie damals wohl wusste, dass sie ihren Mann tatsächlich überleben sollte? Vermutlich wählte sie aufgrund des weiteren Entwicklungsverlaufes des Klosters letztendlich ein anderes Kloster.

Seit 1316 fanden bereits die ersten Messen statt. 1317 kam es zur Angliederung eines Franziskanerkonvents, was die Baumaßnahmen von Santa Chiara enorm verändert hat. Dennoch fand die Weihe erste 1340 statt und nach 30 Jahren Bau- und Umbauzeit sollte für den Komplex die Veränderung die einzige Konstante bleiben.

1456 ereignete sich in Neapel und Umgebung ein schweres Erdbeben. Santa Chiara wurde dabei schwer beschädigt. Die langwierigen Restaurierungsarbeiten im Anschluss dauerten bis ins 16. und 17. Jahrhundert hinein. Doch auch dies war keine architektonische Endstation.

1738 - 47 wurden die Innenausstattung und der Klarissen-Kreuzgang einer intensiven barocken Umgestaltung unterworfen. Verantwortlich dafür war Domenico A. Vaccaro (1648-1745). Im Zuge dessen bekam der Bau einen neuen Marmorfußboden von Ferdinando Fuga und zahlreiche Wand- und Gewöbefresken von Francesco de Mura, Sebastiano Conca und Giuseppe Bonito. Wer nun die Abbildungen des Innenraums von Santa Chiara betrachtet dürfte überrascht sein, denn von der prunkvollen Rokoko-Ausstattung ist nicht mehr geblieben als schwarz-weiß Fotografien. Am 04.08.1943 zerstören britische Fliegerbomben den Großteil des Baus und lassen nur noch steinerne Außenmauern zurück. Und auch das sollte nicht das Ende sein. 1953 beginnt der umfangreiche Wiederaufbau des ursprünglich gotischen Zustands unter Mario Zampino. Das Ergebnis steht bis heute.

Elisa Elß

Außenbau

Die Betrachtung des Außenbaus wird von der kubischen Mächtigkeit des Langhausblockes beherrscht. Der Bau ist aus gelblich-grauen Tuffsteinmauern, ein Vulkangestein, was durch die unmittelbare Nähe zum Vesuv eine Selbstverständlichkeit ist.

Vulkanisches Eruptivgestein, wie der Tuffstein, ist dank der zahlreichen Gaseinschlüsse sehr porös. Es gilt daher als Weichgestein und ist aufgrund des geringen Raumgewichts und der guten Dämmwirkung ein bis heute beliebtes Baumaterial.

Die Gestaltung des Außenbaus orientiert sich an der zisterziensischen Tradition: einfache, vierkantige Strebepfeiler zur Gliederung der Langhauswände und dazwischen hohe Lanzarettfenster. Die polygonalen Treppenhaustürme an den beiden Längswänden markieren den Übergang zu einem querschiffartigen Abschlussjoch. Die Außenmauern springen dabei kaum merklich zurück, sondern werden in der Flucht der Kapellenwände hochgeführt. An diesen Zwischenbereich knüpft ein flachgeschlossener Chorbau zwischen zwei Strebebögen an.

Die Eingangsfassade wirkt durch die Eckverstärkungen sehr wuchtig und spiegelt damit die Dominanz des Langhausblockes wieder. Diese Eckverstärkungen sind mit der Vorhalle verbunden und gehen auf den Urbau zurück. Die Fassade wird horizontal durch ein dünnes Gesims in zwei unterschiedliche Bereiche geteilt. Über dem 6-teiligen Rosenfenster liegt ein Dreipaß-Okulus, welches als Trinitätssymbol verstanden werden kann.

Anders als heute, gelangte man ursprünglich durch die Vorhalle mit ihren Spitzbogenarkarden ins Kircheninnere. Auffällig ist das Zitat des römischen Triumphbogenmotivs. Wie die Fassade ist die Vorhalle streng nach großen Flächenverhältnissen konstruiert: glatte, scharfkantige Mauergestirne, die aufeinander stoßen und ein fehlender Gliederungsapparat.

Das einzige Portal ist mit einer Blendarkatur aus farbigen Marmorgewänden versehen. Auch das Tympanon muss ursprünglich freskiert gewesen sein. Im Türsturz darüber befindet sich das Wappen der Sancia di Mallorca. Wiederum darüber, im Scheitel des Rahmenbogens, ist ein segnender Christus zu erkennen, der von einer weiteren Christus-Büste als Kosmokrator gekrönt wird. Die Rippen des Gewölbes enden auf pyramidialen oder figurierten Konsolen. Der Schlussstein zeigt das Agnus Dei.

Der Campanile befindet sich in der NO-Ecke des Komplexesund ist 50m hoch. Das Sockelgeschoß mit dem Großquaderwerk gehört noch zum Urbau, während der Oberbau durch das Erdbeben 1456 zerstört und erst Anfang des 17. Jahrhunderts unter Costantino Avellone wiederaufgebaut wurde. Er war seit 1944 geschlossen und wurde erst nach umfangreichen Restaurierungen ab 2014 wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Die gotische Inschrift schenkt dem Glockenturm seine Besonderheit und kann als ein authentisches Geschichtsdokument verstanden werden, führt es doch sämtliche Daten der „alten“ Baugeschichte chronologisch auf.

Elisa Elß

Innenraum

Obwohl nach der Zerstörung im II. Weltkrieg recht bald ein gewissenhafter Wiederaufbau folgte, ist die Basilika dennoch „nur“ ein architektonisches Gerippe. Zu viele von den ehemaligen farbig freskierten Wänden sind verschwunden und nicht wieder rekonstruierbar. Der Innenraum und der Grundriss zeigen den Bautypus einer einschiffigen Saalkirche (92x30m). An den Längsseiten befinden sich niedrige, einspringende Kapellenreihen, die sich bis 1943 mit Grabmonumenten des Hauses Anjou und Mitglieder der Bourbonen-Linie füllten. Darüber befinden sich Emporen, welche von einer Mauerbrüstung verkleidet wurden. Sie führten ursprünglich zu einer Sängertribüne an der Eingangsseite.

Herzog Karl von Kalabrien (1298-1328), Sohn von Robert dem Weisen, soll den Aufbau der Kirche mit einem Pferdestall verglichen und damit den Zorn seines Vaters auf sich gezogen haben. Tatsächlich sollte Karl als erster noch vor seinem Vater in dieser Kirche begraben werden. Zu diesem Zeitpunkt war die Kirche noch nicht geweiht.

Diese Anekdote zeigt, wie ungewöhnlich die Disposition für die Zeitgenossen gewesen sein musste. Der Kunsthistoriker Christof Thoenes sieht das Vorbild dafür in der Grabeskirche des Franz von Assisi. Hier tauchten erstmals Laufgänge unterhalb der Hochschifffenster auf. Allerdings handelte es sich in Assisi um einen zweischaligen Gewölbebau. Eine Besonderheit für Santa Chiara liegt aber darin, dass für den Bau vermutlich nie ein Gewölbe geplant war. Lediglich die äußeren Strebepfeiler stützen die hohen Längswände. Das einfache Sparrendach aus Holz bedurfte daher keines inneren Stützensystems und reduzierte den Raummantel auf eine glatte, einschalige „Stallwand“.

Eine weitere Besonderheit für die Basilika ist die ebenfalls fehlende Apsis bzw. Chorkapelle. Das Fehlen des für die Gotik typischen Kapellenkranzes ist hingegen nicht ungewöhnlich, da Bettelorden aufgrund der wenigen Priester im Konvent keine zusätzlichen Räume im Altarbereich benötigten. In Santa Chiara endet die Südseite des Langhauses jedoch an einer querschiffartigen Abschlusswand. Diese wird außen durch die Treppentürme und innen durch das letzte Joch der Längswände angezeigt, welches kaum merklich flacher und weiter gespannt ist. Darüber rücken die Seitenwände pfeilerbreit nach außen und schließen absatzlos an die Quermauer an. Die untere Zone des Abschlussbereichs wird von den Grabmonumenten eingenommen. Dabei korrespondiert die Dreierkomposition zum einen mit den darüber liegenden Maßwerkfenstern als auch mit dem Triumphbogenmotiv der Vorhalle gegenüber. Im Zentrum befindet sich das Grab von Robert des Weisen vor einem vierbahnigen Maßwerkfenster aus Buntglas, welches allerdings nicht vom Tageslicht erhellt wird.

Der Grund dafür liegt in der baugeschichtlichen Entwicklung. Mit dem Anschluss des Franziskanerkonvents an das zunächst singulär als Frauenkonvent geplante Kloster 1317, ergaben sich liturgisch praktische Anforderungen, die in den bereits seit sieben Jahren bestehenden Bau integriert werden mussten. Nonnen war es untersagt selbstständig die Messe durchzuführen und beide Konvente mussten streng von einander getrennt leben. Das Ergebnis ist der ehemalige Klarissenchor, heute die Kapelle der Anbetung, im Anschluss an das Langhaus im Süden. Dieser Hallenchor hat die Breite des Langhauses und verlängert es um 2 Joche. Die Pfeilerstellung mit drei fast gleich hohen Schiffen lassen vermuten, dass dies der ursprüngliche Abschluss der Basilka war. Die Seitenschiffe tragen Kreuzrippengewölbe, das Mittelschiff trägt eine Holzdecke. Der Aufbau gleicht damit einem zisterziensischen Kapitelsaal. An der Wand zum Altar hin befindet sich auch hier im Zentrum die Effigie von Robert dem Weisen. Durch die darunter liegenden Gitterfenster, war es den Nonnen möglich, am Gottesdienst teilzunehmen, die Hostie zu empfangen oder auch liturgische Gegenstände zu reichen.

Der Klarissenchor definiert die Basilika von Santa Chiara schlussendlich als eine Doppelkirche, in der auffällig viele liturgisch praktische Baumaßnahmen erkennbar werden. Und trotzdem oder gerade deswegen spiegelt er das Raumgefühl des Trecento wider, wo die Zweckrationalität mit geschlossenen bildmäßig geordneten Einheiten im Mittelpunkt stand.

Elisa Elß

33Majolika-Garten

Eine kleine Berühmtheit ist der Majolika-Garten (Il chiostro delle maioliche) von Santa Chiara. Er ist der ehemalige Kreuzgang der Klarissen und im Gegensatz zum Franziskanerkreuzgang noch heute für die Öffentlichkeit zugänglich.

Maria Amalia von Sachsen (1724-1760), in Dresden geboren, heiratete 1738 Karl III. und wurde Königin von Neapel. Dank ihr erhielt das bis dato bereits vornehmste Frauenkloster Italiens einen Zier- und Nutzgarten, der die neapolitanische Lebenskunst der Rokokozeit widerspiegelte. So diente er auch den weiblichen Mitgliedern des Königshaus zum Lustwandeln. Für den Umbau beauftragte sie Domenico A. Vaccaro.

Vier Portiken mit Spitzbogenarkaden auf oktogonalen Pfeilern bilden den äußeren Rahmen des Gartens und stammen großteils aus der ersten Bauzeit. Der Garten (ca. 82x78m) wurde von Vaccaro in 4 ungleiche Teile mit 2 Hauptachsen geteilt, dabei waren 2 Sektoren für den italienischen Rokokogarten und 2 Sektoren für den Anbau bestimmt. Das dabei entstehende Wegekreuz ist das architektonische Hauptmotiv des Gartens. Die Hauptachsen werden von oktogonalen Säulen flankiert, die mit den namensgebenden Majolika-Fliesen geschmückt sind, die von Donato und Giuseppe Massa stammen. Diese Säulen wiederrum sind durch Bänke verbunden, welche beliebte ländliche, maritime oder mythologische Szenen (Capriccios) zeigen. Lediglich eines davon nimmt Bezug auf das Klosterleben und zeigt eine Klarisse beim Füttern einer Katze im Klostergarten.

Die Vermutung, dass die Majolika-Kunst ähnlich wie die Stuck-Kunst aus dem Nahen Osten stammte ist naheliegend, aber nicht zutreffend. Wahrscheinlicher ist die unfreiwillige Überlieferung durch Francesco Antonio del Grue. Er war 1716 Anführer eines Handwerkeraufstandes in Castelli (Abruzzen), welches der Sitz der bedeutendsten keramischen Industrie Italiens war. Del Grue wurde daraufhin festgenommen und in Neapel interniert, wo er die Majolika-Tradition lehren sollte. Bei Majolika-Fliesen handelt es sich um farbig bemalte und mit Zinn glasierte Keramik aus dem 15./16. Jahrhundert.

Elisa Elß

Literatur: Thoenes, Christof, Reclams Kunstführer. Neapel und Umgebung, Bd. 6, Ditzingen 1983, S.71-87.