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Mittelalter: S. Maria Donnaregina

Nicht weit entfernt vom Dom, in der Gasse Largo Donnaregina, befindet sich der gotische Sakralbau Santa Maria Donnaregina Vecchia, welcher zwischen 1314 und 1320 von Ubertino da Cremona erbaut wurde. Vecchia bezeichnet die alte gotische Kirche, wohingegen es sich bei der nebenanliegenden Santa Maria Donnaregina Nuova um einen barocken Kirchenbau handelt, der im 17. Jahrhundert erbaut wurde.

Gotik in Neapel
Der Ursprung der gotischen Architektur liegt in Frankreich, wo vor allem die Betonung der Vertikalen, Spitzbögen, Rippengewölbe und Strebepfeiler zu den typischen Merkmalen gehören. Es stellt sich die Frage, ob sich diese Elemente ebenfalls in der italienischen Gotik – speziell in Neapel – wiederfinden lassen.
Die Betrachtung einiger gotischer italienischer Sakralbauten zeigt, dass in Italien Wandmalereien, Maßwerkfenster und Rippengewölbe zu den gotischen Elementen gehören, wobei die Betonung der Vertikalen im Vergleich zu Frankreich nicht im Fokus steht.

Historischer Kontext
Nachdem der Anjou-König Karl I. im Jahr 1285 verstarb, wurde sein ältester Sohn Karl zum König von Neapel ernannt. Karl II. (1253 – 1309) hat viel Zeit in Paris verbracht und brachte somit gewisse Stil- und Bauelemente mit nach Süditalien. Unter ihm wurde sowohl die Kirche Santa Maria Donnaregina als auch San Domenico Maggiore erbaut. Im Jahr 1270 heiratet Karl II. von Anjou Maria von Ungarn (1257 – 1323), welche dadurch Königin von Neapel wurde. Sie wurde Patronin des Klarissenordens von Santa Maria Donnaregina und übernahm somit die Schirmherrschaft der Kirche. Nach ihrem Tod wurde vom italienischen Bildhauer Tino di Camaino ein Grabmal für die Kirche errichtet. Der Orden der Klarissen entstammt vom Franziskanerorden und wurde von der heiligen Klara von Assisi (1193 – 1253) gegründet. Die Formula vitae, eine für die Gemeinschaft geschriebene Regel des Franziskus, beinhaltete strenge Klausur und eine vollkommene Armut. 

Baugeschichte
Erste Erwähnungen der Kirche gab es bereits im Jahr 780 durch Nonnen der Kirche „San Pietro del Monte di Donna Regina“. Der Name geht somit einher mit dem Ortsnamen und blieb erhalten. 1264 gab Papst Gregor IX die Erlaubnis, dass die Nonnen dem Franziskanischen Orden angehören dürfen, wodurch der Klarissenorden entstand.
Während in Frankreich die Spätgotik beginnt, wird in Neapel die Kirche Santa Maria Donnaregina im gotischen Stil erbaut. Nach dem starken Erdbeben 1293 finanzierte Maria von Ungarn die Kirche auf der Ruine der vorherigen. Der Bau erfolgte von 1314 bis 1320 unter Ubertino da Cremona. Nach der Zerstörung durch Feuer 1390 und mehrere Erdbeben im 15. Jahrhundert, unterstütze Königin Joanna II. die Kirche Donnaregina und stiftete 1431 für die Sanierungsarbeiten. 1923-34 wurde die Kirche unter Gino Chierici nochmals komplett restauriert.

Santa Maria Donnaregina, Grundriss

Darstellung der Apsis und Grundriss

Santa Maria Donnaregina, Querschnitt

Querschnitt

Grundriss
Bei dem gotischen Sakralbau handelt es sich um ein Kirchenschiff, endend mit einer polygonalen Apsis. An dem Haupteingang der Kirche knüpft ein Kreuzgang an. An der Westwand befinden sich sowohl eine Sakristei als auch die Kapelle Loffredo.
Die Apsis ist Richtung Süden und der Eingang Richtung Norden ausgerichtet, was daran liegen könnte, dass sich an der Kirche von 780 orientiert wurde. Besonders ist zudem der Nonnenchor, der hier als Empore ein zweites Geschoss innerhalb der Kirche bildet. Der Raum unterhalb des Nonnechors ist in vier Joche unterteilt.
Der Querschnitt zeigt, dass der Nonnenchor etwa zwei Drittel der Länge des Langhauses einnimmt und seine Höhe etwa einem Drittel des Langhauses entspricht.

Santa Maria Donnaregina, Fassade

Fassade und Kreuzgang

Außenansicht
Die architektonische Einfachheit, die sich bereits im Grundriss gezeigt hat, spiegelt sich auch in der Außenansicht wieder. Es ist weder ein großes Portal noch eine ausgeschmückte Fassade vorhanden. Die Fassade war damals mit Fresken bemalt. Zwei erhaltene Fragmente wurden 1998 im Castel Nuovo ausgestellt.

Innenansicht
Die Innenansicht der gotischen Kirche zeigt, dass das Kirchenschiff in zwei Stockwerke unterteilt ist – ursprünglich war der untere Raum für die Laiengemeinde und oben befindet sich der Nonnenchor, in welchem sich die Nonnen aufhielten. Für Italien ist dies eher ungewöhnlich.
Der Raum unter dem Chor wird in drei Gänge unterteilt, welche von Arkadenbögen umrahmt werden. Dort befinden sich zudem oktogonale Säulen und ein Kreuzgratgewölbe mit aufgemalten Rippen. Das Gewölbe, sowohl unter dem Chor als auch in der Apsis, wurde mit den Wappen der Königin Maria von Ungarn und Karl II. von Anjou bemalt.
In der Apsis befinden sich Doppelt-Lanzettenfenster mit je drei Vierpässen und zwei Nonnenköpfen. Die Decke ist heute mit einer Holztäfelung aus dem 16. Jahrhundert verdeckt, da die vorherige beim Feuer im Jahr 1390 zerstört wurde.

Sekkomalerei

Santa Maria Donnaregina, Fresken

Wandmalereien der Ostwand

Santa Maria Donnaregina, Wandmalerei

Wandmalerei "Das jüngste Gericht"

Fast der gesamte Innenraum ist durch Wandmalereien geschmückt. An der Westwand lassen sich Abbildungen von Propheten und Apostel, Apokalypse, das Leben der heiligen Katharina von Alexandria und das Leben der heiligen Agnes finden.
An der Nordwand sind oberhalb die Madonna der Apokalypse mit Michael und Gabriel zu sehen und zwischen den Fenstern lässt sich eine Malerei finden, die das Jüngste Gericht darstellt. Unterhalb der Fenster sind Heilige abgebildet.
Die Sekkomalereien der Ostwand beschäftigen sich thematisch mit der Passion Christi, unter anderem das letzte Abendmahl, die Fußwaschung, die Kreuzigung und Auferstehung. Zudem sind Propheten und Apostel, Büsten von ungarischen Heiligen sowie das Leben der heiligen Elisabeth von Thüringen-Ungarn abgebildet.
Rechts und links der Aspis, an der Südwand, ist die Rangordnung der Engel Seraphim, Cherubim und Thrones zu sehen.

Alle Wandmalereien der Kirche sind durch Pietro Cavallini und seiner Schule zwischen 1318 und 1320 entstanden. Thematisch gesehen geht es zum Großteil um weibliche Protagonistinnen, aber auch um das Königreich Ungarns sowie der Anjou. Die Malereien wurden ‚a secco‘ angebracht, also auf den trockenen Putz, was zu einer kürzeren Dauer der Haltbarkeit führt, da sich die Farbe beim Auftragen nicht ausreichend mit dem Untergrund verbinden konnte. Dies zeigt sich an einigen Stellen der Kirche Donnaregina, an denen Teile der Farbschicht komplett abblättern.

Grabmal Maria von Ungarn

Santa Maria Donnaregina, Grabmal

Grabmal Maria von Ungarn

Im Raum zwischen dem Chor und der Apsis befindet sich das Grabmal der Maria von Ungarn. Dieses wurde nach ihrem Tod im Jahr 1323 von Tino di Camaino errichtet. Ursprünglich wurde es wahrscheinlich hinter dem Hauptaltar in der Apsis verordnet. Maria wird in königlichem Gewand dargestellt und hält ein königliches Abzeichen in der Hand. Zudem sind einige ihrer Söhne mit abgebildet. Ein Baldachin aus weißem Marmor überdacht das Grabmal.

Fazit
Schließlich zeigt sich, dass die zu Beginn genannten französisch gotischen Elemente nur teilweise in der Kirche Santa Maria Donnaregina auftauchen. Vielmehr zeichnet sich der Sakralbau durch ein Kreuzrippengewölbe und Wandmalereien aus. Die Kirche hat ihren eigenen Stil, der kaum mit einer anderen Kirche vergleichbar ist. Bruzelius bezeichnet es als „Frenchness“, da es sich nicht um eine direkt importierte Architektursprache aus Frankreich handelt, sondern eher einen Hauch davon.

Als Kirche eines Klarissenordens lässt sich Santa Maria Donnaregina Vecchia mit Santa Chiara vergleichen.

- Sarah Kirsch

Literaturverzeichnis

  • Bruzelius, Caroline: The Stones of Naples – Church Building in Angevin Italy 1266–1343, New Haven 2004.

  • Elliott, Janis [Hrsg.]: The church of Santa Maria Donna Regina – art, iconography and patronage in fourteenth century Naples, Aldershot 2004.

  • Höcker, Christoph: Golf von Neapel und Kampanien – dreitausend Jahre Kunst und Kultur im Herzen Süditaliens, Ostfildern 2011.

  • Thoenes, Christof / Lorenz, Thuri: Reclams Kunstführer Italien VI – Neapel und Umgebung, 2. Auflage, Stuttgart 1983.