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Renaissance: Castel Nuovo

Castel Nuovo, Ansicht von Nordwesten

Abb. 1: Castel Nuovo, Ansicht von Nordwesten

Baugeschichte

Das Castel Nuovo wurde zu Beginn der angiovinischen Herrschaft in den Jahren 1279 bis 1284 auf Befehl Karl I. erbaut und war neben den Castelli dell'Ovo und Capuano die dritte „neue Burg“ Neapels. Ihr Bau entsprach sowohl repräsentativen als auch militärischen Bedürfnissen ihrer Erbauer zu jener Zeit. Sie diente seit jeher als königliche Residenz sowie als Land- und Seefestung zum Schutze der Stadt und des Hafens. Obwohl vom ursprünglichen, durch Pierre de Chaule ausgeführten Bau keine Pläne erhalten sind, zeugen ältere Mauerreste im jetzigen aragonesischen Bau davon, dass der Umfang der Anlage in etwa der heutigen glich.

Unter Karl II. (1285-1309) wurde die Burganlage weiter ausgebaut. So entstanden zwischen 1307 und 1311 sowohl die große Palastkapelle, als auch der Giardino del Beverello, ein mit kostbaren Pflanzen geschmückter, von Vögeln und anderen Tieren belebter hängender Garten über dem Meer. Unter Robert d. Weisen (1309-43) wurde nahe des heutigen Palazzo Reale, am Meer entlang ein ausgedehnter Park mit Brunnen, Pergolen, Pavillons und anderen Zierarchitekturen angelegt. In diese Zeit fiel auch die Berufung Giotto die Bondones nach Neapel, der zwischen 1328 und 1333 u. a. einen großen Freskenzyklus in der Palastkapelle anfertigte.

Während der angiovinisch-aragonesischen Erbfolgekriege wurde die Burg beinahe vollständig zerstört – allein die Palastkapelle mit den Giotto-Fresken blieb damals vergleichsweise unbeschädigt. Als Ergebnis des Krieges kam Neapel unter aragonesische Herrschaft und Alfons V. von Aragon veranlasste 1442 die umgehende Wiederherstellung der Festungsruine durch Guillermo Sagrera aus Mallorca. Unter aragonesischer Herrschaft entsteht in der Folge einer der prunkvollsten Fürstenhöfe der Frührenaissance: Der Palast wird von einer Vielzahl von Künstlern ausgestattet, mehrere Parks und Gärten werden angelegt und zwischen 1455 und 1471 entsteht außerdem der imposante Triumphbogen Alfons' I.

Castel Nuovo, Grundriss 1492

Abb. 2: Castel Nuovo, Grundriss 1492

Castel Nuovo, Grundriss 1787

Abb. 3: Castel Nuovo, Grundriss 1787

Um mit der sich ständig weiterentwickelnden Kriegstechnik mithalten zu können, müssen die Befestigungsanlagen ständig nachgerüstet werden. Unter der Leitung Antonio Marchesi da Settignanos – einem Schüler Francesco di Giorgio Martinis, dem renommiertesten Festungsexperten der Zeit – wird Ende des 15. Jh. ein weiterer Befestigungsring angelegt (Abb. 2) und damit das äußere Verteidigungssystem grundlegend verbessert. Die spanischen Vizekönige, die ab 1503 Neapel regierten, erneuerten das Mauerwerk und renovierten den äußeren Verteidigungsring, indem sie teilweise moderne Bastionen in die Befestigungsanlagen integrierten (Abb. 3).

Unter Don Pedro di Toledo wird der Palast umgebaut und restauriert, der dem Hafen zugewandte Teil zwischen Kapelle und Süd-Ost-Turm grundrenoviert und auch der Park wiederhergerichtet und mit reich dekorierten Brunnenanlagen ausgestattet. Die letzten bedeutsamen Veränderungen an Mauern und Palast, vor allem am Nord- und Westflügel geschehen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. 1823 wird das ganze Gebäude umfassend überholt und zwischen 1871 und 1875 der größte Teil der Außenbastionen abgetragen und zur Grünanlage umgestaltet.

Castel Nuovo, Grundriss

Abb. 4: Castel Nuovo, Grundriss

Baubeschreibung

Die Festungsanlage

Der trapezförmige Grundriss (Abb. 4) der heutigen Burg basiert auf den Fundamenten der Anjou-Festung. Nach Art des Belver von Mallorca, ragt der aragonesische Bau mit seinen hohen senkrechten Wänden, Rundtürmen und ausladenden Zinnenkränzen aus dem ehemals mit Wasser gefüllten Graben empor. Markanter Unterschied zu vergleichbaren Festungen des 14. Jh. – wie etwa dem Castello S. Giorgio in Mantua – ist die Anlage zylindrischer anstatt kubischer Türme. Abgesehen von ästhetischen Präferenzen ist diese Form vor allem wehrtechnisch begründet: So war es weit schwieriger eine gewölbte Oberfläche mit Kanonengeschossen zu treffen, und auch die Folgen eines Einschlags fielen weniger stark aus als bei flachem Mauerwerk.

Die Architektur des Castel Nuovo ist entscheidend von der Tatsache geprägt, dass ihre Bauherren die Burg zuvor erobert hatten und die dabei gewonnenen Erfahrungen in die Pläne zur Umgestaltung und Erweiterung der Verteidigungsanlagen einflossen. So beabsichtigte Alfons von Aragon, der die vernichtende Wirkung der neuen Feuerwaffen bei der Eroberung der Burg selbst erlebt hatte, die Festung an die neue Art des Krieges anzupassen ohne die traditionelle Anlage einer hochummauerten Ritterburg mit mehreren Türmen aufzugeben. Dazu wurde ein relativ niedriger, massiver, stark geböschter Sockel errichtet, der einerseits gegnerischen Geschossen standhielt und andererseits der eigentlichen Verteidigungsebene der Burg Platz bot: Eine Terrasse mit Zinnenkranz, auf der sich offensive Geschütze aufstellen ließen (Abb. 5). Trotz alledem entsprach der aragonesische Bau nach angiovinischem Vorbild mittelalterlicher Ritterburgen bereits zur Zeit seiner Entstehung nicht mehr den Anforderungen der zeitgenössischen Kriegsführung. Der Kunsthistoriker Christof Thoenes nimmt an, dass der Bau des Castel Nuovo eher der „optischen Machtdemonstration als ihrer effektiven Entfaltung“ (Thoenes, S. 334) diente. Übereinstimmend hält Andreas Beyer fest, dass eine solche Charakterisierung des aragonesischen Baus dessen „appellativen Charakter und repräsentative Funktion“ (Beyer, S. 38) unterstreiche. So solle die Burg eher auf die Stadt wirken, als potentielle Angreifer abschrecken.

Abb. 5: Castel Nuovo, Luftansicht aus Westen

Castel Nuovo, Diamantquaderung am Fuße der Tortürme

Abb. 6: Castel Nuovo, Diamantquaderung am Fuße der Tortürme

Die nach Westen ausgerichtete Stadtseite des Castel Nuovo besteht aus drei mächtigen Türmen, von denen zwei – der Torre della Guardia und der Torre die Mezzo – den durch eine Zugbrücke gesicherten Eingang mit dem Triumphbogen einfassen. Die Sockelmauer am Fuße der Tortürme weist eine diagonal angelegte Diamantquaderung (Abb. 6) auf, die an die antike Bauform des opus reticulatum erinnert und wohl das früheste Beispiel dieser Schmuckform in Italien darstellt.

Der dritte Turm – der Torre S. Giorgio – bildet die Nord-West-Ecke der Burg. An die langgestreckte Nordwand schließt sich der Torre Beverello an, der die Nord-Ost-Ecke sowie den Hauptturm der Festung bildet. Dieser vierte Turm überragt die anderen in der Höhe und sein Sockel ist von den übrigen Terassen abgegrenzt. Die dem Hafen zugewandte Ostseite (Abb. 7) war ursprünglich direkt am Wasser gelegen und weist eine breite Gliederung auf: An den Hauptturm der Nord-Ost-Ecke schließt sich – ebenso hoch – der Hauptteil des Palastes mit der gewaltigen Front des Großen Saales und der von polygonalen Strebepfeilern eingefassten Kapelle an. Im daran angrenzenden Bereich ist über den Fenstern der Sakristei und der Camera di S. Francesco da Paola eine dreibogige Loggia angelegt, die noch aus dem 15. Jahrhundert erhalten ist. Auch der leicht vortretende Baukörper links davon, die ehem. Torre del Mare, trug ursprünglich zwei dreiachsige Bogenhallen, die jedoch – genau wie der von Federico von Aragon errichtete Turm – schon gegen Ende des 15. Jahrhunderts einstürzten, weil das Fundament an dieser Stelle unzureichend Halt bot. Ursprünglich war die benachbarte Loggia Grande als offene Aussichtsterrasse angelegt, jedoch 1497 und 1535 zur heutigen Form mit den beiden Arkadenebenen umgestaltet. An den Torre dell'Oro, der seine einstige Nutzung als königliche Schatzkammer noch heute im Namen trägt, schließt sich die relativ niedrige südliche Mauer an, die ihn mit dem Torre della Guardia verbindet.

Abb. 7: Castel Nuovo, Ostwand

Vorbilder für die markante Bauweise des Castel Nuovo mit seinen runden Türmen und hohen Mauern sieht der amerikanische Architekturhistoriker George L. Hersey in Burgen der iberischen Halbinsel zu dieser Zeit, wie dem Castillo de Belmonte, dem Castillo de Mombeltrán oder dem Castillo de Valdecorneja. Diesen Beispielen fehlen allerdings noch die eigentümlichen Raveline und die runden, mit Zinnen versehenen Vorbauten des Castel Nuovo, die der Abwehr neuartiger Kanonen einerseits und der Aufstellung eigener Geschütze andererseits dienen sollten.

Der Triumphbogen Alfons' I.

Castel Nuovo, Triumphbogen

Abb. 8: Castel Nuovo, Triumphbogen

Ursprünglich war ein freistehender Triumphbogen im Stadtzentrum vor dem Dom geplant. Dieser Plan scheiterte jedoch an einem selbstbewussten Bürger, der den Abriss seines Hauses an geplanter Baustelle verhinderte. Erst der Wiederaufbau des Castel Nuovo an Stelle der angiovinischen Burg machte die Umsetzung des Triumphbogens in veränderter Form außerhalb der Stadtmauern möglich. Dabei folgt Alfons unfreiwillig der neapolitanischen Tradition des Herrschersitzes an der Peripherie Neapels.

Als Architekt des Bogens, der „seinem Umfang wie seiner Bedeutung nach zu den wichtigsten Vorhaben der Profankunst des Quattrocento“ (Thoenes, S. 335) gehört, wird Pietro da Milano genannt. Die Berufung von Bildhauern aus Rom (Isia da Pisa, Paolo Romano), Florenz (Andrea dall'Aquila), Padua (Donatello, Antonio Chellino da Pisa), Genua (Domenico Gagini) und Barcelona (Pedro Johan) muss Dietrich Erben zufolge als „kulturpolitische Geste des Neuanfangs und der königlichen Souveränität verstanden werden“ (Erben, S. 61). In ihr verdeutlicht sich die Ambition Alfons', Neapel in die Riege etablierter Kunstzentren der Frührenaissance aufsteigen zu lassen.

Im ungewöhnlich steilen Aufbau des Portals, das sich aus zwei übereinanderliegenden Triumphbögen mit jeweils angefügter, opulent ausgestalteter Attika gleicher Höhe konstituiert, finden sich verschiedene bauliche Elemente, die als Ensemble ohne Vorbild sind. Der untere Bogen ist von kannelierten, korinthischen Doppelsäulen gesäumt und stellt – getrennt vom Rest des Portals betrachtet – eine Nachbildung des Bogens der Sergier im kroatischen Pola dar, der dort im 1. Jh. n. Chr. entstand. Während die Kapitelle und das plastische Beiwerk (Abb. 10) exakt dem Sergierbogen nachempfunden sind, weicht die Antikenkopie insofern vom Original ab, als dass die Piedestale der Säulenpaare etwas höher angelegt sind als in Pola und mit ihnen auch das verkröpfte Gebälk ein stückweit nach oben rückt (Abb. 8). Dadurch bleibt über dem Scheitel des Bogens ausreichend Platz für das königliche Wappen, das in den Zwickeln von Füllhörnern und gegenständigen Greifen flankiert wird, die die Viktorien des antiken Vorbilds ersetzen.

Die Sockel sind mit Reliefdarstellungen von Palmetten, Akanthus, Vasen, Köpfe und Masken versehen (Abb. 11) und am Fries des Gebälks sind Eroten und Kentauren, Satyrn und Nymphen und eine Herkules-Szene zu erkennen. Das Mittelstück des Frieses trägt zwischen von Amoretten gelenkten Zweigespannen die Inschrift Alfons' und ist wiederum genau dem Sergier-Bogen nachgebildet. Daneben befinden sich freiere Darstellungen, die wohl von Andrea dall'Aquila stammen.

Castel Nuovo, Triumphbogen, Relief auf der linken Innenseite des Bogens

Abb. 9: Castel Nuovo, Triumphbogen, Relief auf der linken Innenseite des Bogens

Die Innenwände des Bogens tragen kastenförmig vertieften Relieffelder , die vom römischen Titusbogen oder dem Trajansbogen von Benevent inspiriert scheinen. Die zwei großen Reliefs zeigen jeweils in Palastsälen aufmarschierte Soldatengruppen, die von Alfons auf der rechten und von Ferrante auf der linken Seite angeführt werden. Im Relief der linken Innenwand (Abb. 9) lässt Alfons dem lorbeerbekränzten Thronfolger den Vortritt und ist selber am linken Rand situiert. An die Relieffelder schließen sich beiderseits Friese mit im Wasser spielenden Meerwesen an, über denen eine zweite Ordnung mit Pilastern und kannelierten Muschelnischen (Abb. 12) angelegt ist. Die Bogenlaibung verfügt über oktogonale Kassetten, die verschiedenartig dekoriert sind (Abb. 13).

Zurück auf der Schauseite stellt das große Triumphrelief in der Attika des Bogens den festlichen Einzug Alfons' von Aragon nach Neapel dar (Abb. 14). Die Begrenzung des Reliefs bilden zwei vortretende Ädikulä, die oberhalb der Säulenpaare des Untergeschosses angelegt sind und der Bauart nordafrikanischer Triumphbögen in Tebessa und Djemila entsprechen. Der Zug bewegt sich vom linken Triumphtor kommend über den Mittelteil durch das rechte und auf den Betrachter zu. Einer Reihe von Musikanten zu Pferde und zu Fuß folgt der der Viktoria des Titusbogens nachempfundene Fortuna, welche die vier Rösser führt, die den Triumphwagen Alfons' I. ziehen. Sein kastenförmiger Unterbau, mit Blattmasken und Bukranien verziert, trägt die thronende Sitzfigur des Herrschers, der – die Weltkugel in der Hand (das Königszepter der anderen ist nicht erhalten) – die Menge überragt.

Den beiden Edelleuten, die dem Wagen vorgelagert das neapolitanische Patriziat verkörpern, folgen die Mitglieder des Hofstaats, unter ihnen Ferrante und der Fürst von Tarent, sowie – mit Bart und Turban – der Gesandte des Beys von Tunis mit Gefolgschaft. Ihre Köpfe liegen der antiken Kompositionsformel der Isokephalie entsprechend auf gleicher Höhe. Das Relief besteht aus einzelnen Blöcken, die von unterschiedlichen Bildhauern stammen (so gelten die Musiker als Werk von Gaggini; Paolo Romano soll die Pferde mit der Fortuna gearbeitet haben; den König Isaia da Pisa; die Patrizier vor dem Wagen Mino da Fiesole).

Abb. 14: Castel Nuovo, Triumphbogen, Detailansicht Triumphrelief

Das zweite Stockwerk bildet erneut ein Bogen, den ionische Halbsäulen in jeweils doppelter Ausführung flankieren (Abb. 8). Während Christof Thoenes der Ansicht ist, dass diese Proportionierung auf den Augustusbogen von Rimini als ungefähres Vorbild schließen lässt, erkennt Dietrich Erben darin lediglich Wiederholung des Sergierbogen-Schemas. Obwohl für die Nische unter dem Bogen eine lebensgroße Statue Alfons' nach dem Vorbild mittelalterlicher Stadttore oder Monumentalgrabmale geplant war, blieb diese prominente Stelle letztendlich leer. Außerdem sind ein Auftrag für ein Reiterstandbild aus Bronze sowie Ferrantes Absicht, das einbalsamierte Herz seines Vaters an diesem Platz anzubringen, überliefert. In der Mitte vor den linken Säulen steht eine Statue, bei der es sich möglicherweise um die Allegorie des Krieges handelt, die 1447 aus Rom nach Neapel gesandt wurde. Während die Zwickel des Bogens zwei Viktorienreliefs einnehmen, die dem Trajansbogen nachempfunden scheinen, wird das Fries bestimmt von zehn einander gegenüberstehenden Greifen.

Der rhythmische Aufbau des Unterbaus löst sich im letzten Geschoss auf: Eine Pilasterordnung mit vier großen Muschelnischen (Abb. 11) umfasst die gesamte Breite des Triumphbogens und wiederholt Lage und Maß betreffend die Reliefzone über dem unteren Bogen. Inmitten der Nischen stehen vier weibliche Statuen der Justitia, Temperantia, Fortitudo und Prudentia (die erste wird Laurana zugeschrieben, die zweite Gaggini, die dritte Isaia da Pisa, die vierte entstammt entweder Gagginis oder Lauranas Hand). Die Skulpturen verkörpern allegorisch die Kardinaltugenden Gerechtigkeit, Mäßigung, Stärke und Klugheit. Über ihnen sind im Segmentgiebel zwei Flussgötter dargestellt, die wahrscheinlich der Hand Paolo Romanos entstammen. Die Krönung des Triumphbogens bildeten einst die drei freistehenden Figuren des heiligen Georg, Michael und Antonius Abbas, von denen jedoch nur Statue des Erzengels Michael erhalten ist.


Abb. 15: Castel Nuovo, Triumphbogen, Detailansicht Tugendallegorien

Tritt man durch den Triumphbogen hindurch, gelangt man zu einem zweiten kleineren Tor (Abb. 8), das 1467-71 von Pietro da Milano gestaltet wurde und ungefähr bis zur halben Höhe des vorderen Tores reicht. Gerahmt von zwei einfachen Halbsäulen tragen am Scheitel des Bogens zwei Eroten das Wappen Ferrantes' I. Darüber befindet sich ein nur teilwiese erhaltenes Relief, dessen fehlendes Mittelstück die Krönung Ferrantes' zeigte.

Vorbildhaft für die Anlage des Bogens war – neben den genannten, antiken Triumphbögen – die lokale Grabmalskulptur, die sich unter Robert dem Weisen herausbildete. In erster Linie ist es das Grabmal des Königs Ladislaus', das George L. Hersey als „angevine prototype for the arch“ (Hersey, S. 18) betrachtet. Es weist wie der Triumphbogen zwei getrennte Bogengeschosse auf, die am Castel Nuovo eine breite Attikazone trennt, während das Grabmonument Ladislaus' eine ähnliche Unterteilung durch den königlichen Sarg in diesem Bereich erfährt. Diese Analogie diente nicht zuletzt der politisch-dynastischen Legitimation Alfons', der sich als rechtmäßiger Erbe der Anjou-Durazzo-Monarchie betrachtete.

Die kulturgeschichtliche Bewertung des Triumphbogens ergibt, dass er nicht nur ein herausragendes Zeugnis neapolitanischer Geschichte ist, sondern darüber hinaus das „bedeutendste Architektur- und Skulpturendenkmal der Frührenaissance in Süditalien“ (Erben, S. 59) darstellt, durch dessen Umsetzung Alfons I. eigene politische Intentionen zur Konsolidierung seines Herrschaftsanspruches umzusetzen suchte. So dient die vielfache Darstellung Alfons' und Ferrantes in den Bogenreliefs der Bestätigung ihres Ranges und der Legitimation ihrer Regentschaft. Während die geordnete Formation des Festzugsreliefs – gestützt durch die Isekophalie der abgebildeten Figuren – die gesellschaftliche Ordnung versinnbildlicht, die Alfons anstrebte, geben die Tugendallegorien in der Attika des oberen Bogens den aragonesischen Herrschern „normative Begründung“ (Erben, S. 64). Indem er auf die Bauform des antiken Triumphbogens zurückgriff und seinen Einzug in die Stadt nach der Art römischer Triumphzüge gestaltet, artikulierte Alfons seinen imperialen Anspruch. Weiterhin sind die Abbildungen eines römischen Kaisers und der Herkules-Sage am Sockel des Bogens sowie die drei Frauenbüsten in den Giebelfeldern oberhalb des Triumphreliefs, die den Sirenen aus dem Gründungsmythos Neapels entsprechen, Ausdruck von Alfons' Streben, seine Regentschaft historisch zu legitimieren. Die Darstellungen zielen darauf ab, die eigene dynastische Abstammung in römischer Zeit zu verorten, auf die mythischen Ursprünge des Hauses Aragon zu verweisen und diese mit der griechischen Gründungsgeschichte Neapels zu verbinden.

Das marmorne Denkmal des triumphalen Einzug Alfons' I in die Stadt übersteigt in seiner Anlage den unmittelbaren Entstehungsgrund. Mit seiner Errichtung wollte Alfons seine Herrschaft über Neapel aus dem Einvernehmen mit der Stadt heraus begründen und stabilisieren. Dazu dienten ihm die Hervorhebung der antiken Wurzeln sowohl des Herrscherhauses als auch der Stadt sowie die „visuelle Deklaration einer auf Normen beruhenden Herrschaft“ (Erben, S. 65).

Der Innenhof

Castel Nuovo, Innenhof, Blick auf die Nordwand, Sala dei Baroni und Kapelle

Abb. 16: Castel Nuovo, Innenhof, Blick auf die Nordwand, Sala dei Baroni und Kapelle

Castel Nuovo, Innenhof, Südseite

Abb. 17: Castel Nuovo, Innenhof, Südseite

In den Hof der Burg gelangt man durch das rechteckige Eingangsvestibül, das von einem vierstrahligen Sterngewölbe überspannt wird, dessen Schlusssteine u. a. das vereinigte Wappen der Häuser Aragon-Durazzo, tragen. Der Innenhof, dessen Grundriss ein unregelmäßiges Rechteck darstellt, zeigt Formen der verschiedensten Bauepochen. Während die Eingangswand und die Nordwand  aus dem 18. Jahrhundert stammen (Abb. 16), gehört die Südwand  mit ihren leicht gedrückten Rundbögen auf Achteckpfeilern noch dem Quattrocento-Bau an (Abb. 17). Die darüber liegende Wand weist Fensterformen des 16. Jahrhunderts auf. Auf der Ostseite  findet sich linkerhand die gut erhaltene Freitreppe, die zum Sala dei Baroni hinaufführt sowie rechts daneben ein spätgotisches Tabernakel, das wohl eine Madonnenfigur enthielt. Daran schließt sich das große Balkonfenster des Saales an, dessen einstige Dekoration der Restaurierung zum Opfer fiel. In der darüber liegenden Nische befand sich im 15. Jahrhundert eine Justitia-Statue. Die Fassade der daneben befindlichen Kapelle ist noch in der Zeit Karl II. von Anjou entstanden und besteht in ihrer heutigen Form seit dem Erdbeben 1546. Das reliefgeschmückte Renaissanceportal mit korinthischer Ädikula-Rahmung steht im Kontrast zum großen Rosenfenster, dessen verworrenen Windungen eine symmetrische Vierteilung innewohnt. Rechts der Kapelle ist der Palast der Vizekönige situiert, an den sich die Loggia Grande anschließt, die wie die über ihr liegende Terrasse den Blick zum Hafen freigibt.

Die Sala dei Baroni

Der Saal der Barone verdankt seinen Namen der Tatsache, dass Ferrante um 1487 einige Barone, die sich gegen ihn verschworen hatte, unter dem Vorwand der Hochzeit seines Neffen in diesen als Thronsaal genutzten Raum einlud um sie festnehmen und anschließend hinrichten zu lassen. Am Torre Beverello zwischen Nord- und Ostwand situiert und besticht der Saal durch seine kühne Gewölbekonstruktion, die seit 1456 allen Erdbeben standhielt und sogar das Feuer von 1919 überstand. Vier einfach gestaltete, aber massive Wände rahmen den quadratischen Raum, dessen Seiten 26 Meter lang sind und der bis zum Scheitel der Wölbung 28 Meter misst.


Castel Nuovo, Sala dei Baroni, Sterngewölbe

Abb. 18: Castel Nuovo, Sala dei Baroni, Sterngewölbe

Castel Nuovo, Sala dei Baroni, Sterngewölbe

Abb. 19: Castel Nuovo, Sala dei Baroni, Sterngewölbe

Castel Nuovo, Sala dei Baroni, Blick auf die Ostwand

Abb. 20: Castel Nuovo, Sala dei Baroni, Blick auf die Ostwand

Das gewaltige Sterngewölbe, dessen offener Scheitelring die zentrale Lichtquelle des Saales bildet, entfaltet sich von 8 Eckpunkten aus, von denen jeweils zwei einer Wand entspringen. Vier über die Ecken des Saales gespannte Schwibbögen überführen nach Art mittelalterlicher Trompen das Grundquadrat in ein regelmäßiges Oktogon (Abb. 18). Aus dessen Winkeln treten acht große Radialrippen hervor, die das kuppelartige Gewölbe stützen. Der Grundriss bildet demzufolge ein Gefüge von 12 dreieckigen Feldern, die sich wiederum durch dreistrahlige Zwischenrippen in je drei weitere Abschnitte gliedern. Der Aufriss zeigt, dass die aufgehenden Wandstücke jedes Abschnitts halbrunde Lünetten bilden, die als Stichkappen auf die Wölbung treffen (je zwei in Trompen, je eine über jeder Seite des Oktogons; Abb 19). Die Schildbögen sind annähernd halbkreisförmig, die Wölbung der Rippen (damit auch der Querschnitt des gesamten Gewölbes) etwas flacher. Indem die tragenden Rippen als Segmentbögen in die Wand übergehen wird ihr Seitenschub in ein Widerlager abgeleitet, das sich nicht sichtbar innerhalb der Mauer befindet. Das massive Ausmaß des Unterbaus wird an den Fenstern deutlich, deren Laibungen praktisch eigene Räume mit je zwei kreuzrippengewölbten Jochen bilden (Abb. 20). In der Mitte der Ostwand zwischen den Fenstern befindet sich ein großer Kamin, über dem sich wiederrum zwei übereinanderliegende Logen für die königliche Musikkapelle befinden. Das kleine gotische Tor am linken Ende der Ostwand führt zu einer Treppe, über die man zur Wehrterrasse des Torre Beverello gelangt. Durch die ihr gegenüberliegende Tür in der Südwand kommt man über eine Wendeltreppe in die Palastkapelle hinab. Den Eingang zu den königlichen Gemächern eröffnet die Porta del Trionfo am nördlichen Ende der Eingangswand., auf deren Fries nochmals der Alfonos Triumphzug dargestellt ist.

Der Saal der Barone, in dem bis 2006 der Stadtrat von Neapel tagte, kann seiner kargen Anlage und riesigen Dimensionen wegen als Beispiel der aragonesisch-katalanischen Gotik gesehen werden, deren Bauten sich durch hallenartige Räume mir großer Spannweite und schlichter äußerer Erscheinung auszeichnen.

Die Capella Palatina

Castel Nuovo, Capella Palatina

Abb. 21: Castel Nuovo, Capella Palatina

Die Kapelle, die sich direkt neben der Sala die Baroni befindet, ist der einzige erhaltene Teil der angiovinischen Burg. Der hohe, schmale Saal mit offenem Sparrendach spricht die Formensprache des frühen Trecento. An der Ostseite trennt ein von Halbsäulen getragener, leicht zugespitzter Bogen den quadratischen Chor mit Kreuzrippengewölbe und hohen, schmalen gotischen Fenstern vom Rest der Kapelle.

Die Wände der Kapelle trugen bis zum Erdbeben 1456 die um 1330 entstandenen Giotto-Fresken, die Darstellungen aus dem Alten und Neuen Testament enthielten. Ferner sind in der Kapelle eine Reihe von Skulpturen zu finden, die von Bildhauern stammen, die auch den Triumphbogen gestalteten. Darunter ein filigran gearbeiteter Marmor-Tabernakel, der sich an der linken Seitenwand der Chorkapelle befindet und aus der Hand Jacopo dell Pilas stammt. Das zentrale Relief zeigt einen perspektivisch erscheinenden Raum, in dem mehrere Engel beten. Das Tabernakeltürchen bildet die Mitte des Ganzen und ist als monumentales Renaissance-Portal angelegt. Während das Tympanon einen segnenden Christus zeigt, sind die seitlichen Muschelnischen mit Apostelfiguren versehen und in der Predella ist das Abendmahl zu sehen.

Ein weiteres Tabernakel wurde von Domenico Gagini –  einem Schüler Donatellos und Bruneleschis – gestaltet. Es zeigt eine Madonna mit Kind in einer von ionischen Halbsäulen gesäumten Nische, in dessen Tympanon sich erneut ein segnender Christus befindet und dessen Predella den Garten Eden zeigt.

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Literatur zum Thema

BEYER, Andreas: Parthenope. Neapel und der Süden der Renaissance (Kunstwissenschaftliche Studien, Bd. 84), München / Berlin 2000.

ERBEN, Dietrich: Der Triumphbogen Alfons' I., in Pisani, Salvatore / Siebenmorgen, Katharina (Hrsg.): Neapel. Sechs Jahrhunderte Kulturgeschichte, Berlin 2009, S. 59-67.

HERSEY, George L.: The Aragonese Arch at Naples 1443-1475 (Yale Publications in the History of Art, Bd. 24), London 1973.

THOENES, Christof: Neapel und Umgebung (Reclams Kunstführer Italien Bd. VI), Stuttgart 1971².